Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
Schweine – sie werden versuchen, dich umzubringen.« Um sechs Uhr war ich so deprimiert, daß ich jeden Versuch zu arbeiten aufgab und zu Al’s ging.
Gerade als ich in die Calle O’Leary einbog, hörte ich den Scooter von Yeamon, der aus der anderen Richtung kam. Das Ding knatterte höllisch in den engen Straßen, man konnte es sechs Blocks weit hören. Wir kamen gleichzeitig bei Al an. Chenault saß hinten drauf und sprang herunter, während Yeamon den Motor abstellte. Beide schienen betrunken zu sein. Auf dem Weg zum Patio bestellten wir Hamburger und Rum.
»Jetzt wird es ernst«, sagte ich und zog einen Stuhl für Chenault heran.
Yeamon sah mißmutig drein. »Lotterman, dieser Dreckskerl, hat sich heute vor der Anhörung gedrückt. Es
war die Hölle – diese Typen vom Arbeitsgericht haben unser Photo in EL DIARIO gesehen. Natürlich war ich froh, daß er dann doch nicht kam. Heute hätte er vielleicht gewonnen.«
»Kein Wunder«, sagte ich. »War ein sehr häßliches Photo.« Ich schüttelte den Kopf. »Lotterman ist in Ponce – wir haben Glück.«
»Verdammt«, sagte Yeamon. »Bis zum Wochenende brauche ich das Geld. Wir wollen nach St. Thomas zum Karneval.«
»Ach ja«, sagte ich. »Hab davon gehört – da muß es heiß hergehen.«
»Großartig!« rief Chenault. »Der Karneval soll genau so gut sein wie auf Trinidad.«
»Komm doch mit«, schlug Yeamon vor. »Sag Lotterman, du willst eine Geschichte darüber machen.«
»Würde ich gerne«, sagte ich. »San Juan treibt mich in den Wahnsinn.«
Yeamon wollte etwas sagen, aber Chenault fuhr ihm dazwischen. »Wie spät ist es?« sagte sie beunruhigt.
Ich schaute auf die Uhr. »Fast sieben.«
Sie stand schnell auf. »Ich muß los – es fängt um sieben an.« Sie nahm ihre Tasche und ging Richtung Tür. »Bin in einer Stunde zurück«, rief sie. »Trinkt nicht zu viel.«
Ich schaute Yeamon an.
»Es gibt irgendeine Zeremonie in der großen Kathedrale«, sagte er müde. »Weiß der Himmel, was es ist. Sie will unbedingt dabei sein.«
Ich lächelte und schüttelte den Kopf.
Er nickte. »Ja, es ist die Hölle. Ich will verdammt sein, wenn ich nur mal wüßte, was ich mit ihr tun soll.«
»Mit ihr tun soll?« fragte ich.
»Ja, ich habe mehr oder weniger beschlossen, daß diese
Insel hier bis ins Innerste verrottet ist und daß ich hier weg sollte.«
»Ach ja«, sagte ich. »Da fällt mir ein, daß Sanderson einen Job für dich hat – Reiseartikel. Seine Integrität verlangt von ihm, daß er beweist, was er vorgestern Nacht über uns gesagt hat.«
Er stöhnte. »Reiseartikel, mein Gott. Wie tief kann ein Mensch sinken?«
»Klär das mit Sanderson«, sagte ich. »Er möchte, daß du ihn anrufst.«
Er lehnte sich zurück und starrte einen Augenblick an die Wand. »Seine Integrität«, sagte er schließlich, als hätte er das Wort seziert. »Mir scheint, daß ein Kerl wie Sanderson ungefähr so integer ist wie Judas.«
Ich trank einen Schluck.
»Warum hast du überhaupt was zu tun mit so einem Kerl?« fragte er. »Du hängst doch dauernd bei ihm rum – hat er etwas, das ich vielleicht übersehen habe?«
»Weiß nicht«, sagte ich. »Was siehst du denn?«
»Nicht viel«, antwortete er. »Ich weiß, was Sala sagt, er behauptet, daß er schwul ist. Natürlich ist er ein Angeber, ein Schwanz und weiß Gott noch was.« Er machte eine Pause. »Aber Sala wirft eben nur mit Wörtern um sich – Angeber, Schwanz, Schwuler –, also was soll’s? Mich wundert es aber wirklich, was du mit diesem Kerl hast.«
Nun begriff ich Salas Sticheleien gestern beim Frühstück. Und ich hatte das Gefühl, daß das, was ich nun über Sanderson sagen würde, äußerst wichtig wäre – weniger für Sanderson, sondern für mich. Denn ich wußte, warum ich mit ihm zu tun hatte, und die meisten meiner Gründe waren ziemlich schäbig. Er war drinnen und ich war draußen, und er schien ein ziemlich guter Türöffner zu sein. Gleichzeitig hatte er etwas an sich, das ich mochte. Vielleicht
war es Sandersons Kampf mit sich selbst, der mich faszinierte – der nüchterne Mann von Welt, der Schritt für Schritt den kleinen Jungen aus Kansas verschwinden läßt. Ich erinnerte mich daran, wie er mir erzählt hatte, daß der Hal Sanderson aus Kansas gestorben war, als sein Zug in New York eintraf – und jeder, der so etwas von sich sagen kann, und der es mit Stolz sagt, ist es wert, daß man ihm zuhört; es sei dann, man weiß mit seiner Zeit etwas viel Besseres
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