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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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ASSISTENT, gez. G. GUNDERSON, den solle er jedem DJ, der ihm gefällt, zeigen, vielleicht nimmt ihn ja jemand mit.
    Als Gage erhalte ich vom Barbesitzer 40 Euro, nächstes Mal lege ich in Irland auf. Ich fühle mich so gesund wie nie zuvor, kräftig und genesen, ich habe es geschafft.
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich Kompost, ordentlich durchgemahlen, nichts Menschliches ist mehr an mir, wie entkernt, ausgestülpt und mit dem Speiballen einer alten Eule ausgestopft, vor dem Fenster Dauerregen, im Fernseher eine Doku über Behinderte in Afrika, sie haben Polio, sie musizieren in einem heruntergewirtschafteten Zoo, der einzige Ort, in den sie gratis hineinkommen und wo sie einigermaßen ungestört üben können, in einem Käfig schreit ein Makake zum Gotterbarmen. Gewöhnlich gibt es für so einen Zustand keine Lieder, aber jetzt begleitet, nein, verhöhnt mich das Adagio des ersten Rasumowsky-Quartetts, gespielt von einer Sackpfeife, in meinem Kopf. Der sich schon rasselnd, also lösend ankündigende Husten wird wieder hart, trocken, schmerzhaft, ich huste, bis mir die Sinne schwinden, Sauerstoffunterversorgung im Kopf. Wie ein Tremorclown im Zustand totaler Verlotterung mit zu großen Schuhen torkle ich durch meine Kemenate. Was habe ich getan, dass mich die Krankheit so in der Schraubzwinge hat? Es können nicht die 15 Mikrobiere und 10 Zigaretten gewesen sein (filterlose Belomorkanal, die stärkste Zigarette der Welt, mit der hübschen Verpackung von Andrey Tarakanov; die Litauerin hatte sie mitgebracht).
    Ich fahre nach Matosinhos, Last Exit Matosinhos , das Sardinenviertel der Stadt. Hier steht eine Dosenfabrik neben der anderen, dazwischen ducken sich kleine Bratstuben, Verschläge, gegrillt wird auf der Straße, im Regen, Sardinen, Schollen (Solha) und Lampreia, eine Art Seeegel, ein fieses Biest mit Saugplatte, das, einmal angedockt, seinem Wirt das Gehirn einfach weglutscht, wir nennen diese Brüder Neunaugen, und David Lynch baute in seinem Meisterwerk «Dune» nach ihrem Vorbild die Sandwürmer. Was es hier auch gibt, und weswegen ich eigentlich hier bin, das sind Percebes, und die sollen meine letzte Rettung sein, so ist der Plan.
    Ich setze mich in mein Lieblingslokal in Matosinhos, in die Masqueira dos Pobres, hier kennt man mich bereits, im Fernseher läuft eine brasilianische Telenovela. Wenn man Portugiesen fragt, warum Percebes so heißen, wie sie heißen, also wörtlich übersetzt: Verstehst Du? , dann starren sie einen an, verlegen lachend wie üblich, ratlos. Ich weiß es natürlich, und es macht mir Spaß, sie zu frotzeln und anschließend aufzuklären. Es kommt nämlich aus dem Galizischen (natürlich nicht dem, das in Galizien am Dnjepr oder in Gallizien an der Drau, in Kärnten, gesprochen wird, wieso gibt’s eigentlich so viele Galizien?), percebe leitet sich aus dem Lateinischen pollicipes her; es setzt sich zusammen aus pollex «Daumen» und pes «Fuß». Daumenfüßler also, mit dieser kleinen Nummer kann ich die Etymologieresistenten nur geringfügig verblüffen, ich, der Kranke in einem kranken Land. Percebes haben eine Art Fuß, mit dem sie sich an Felsen festkrallen, aber dieser Fuß umfasst bei ihnen alles, Körper, Hinterkopf, die sechs Paar Cirripedien (Borstenbeine) sowie Verdauungstrakt, Geschlechtsorgane und Bauchmark, und den Sitz ihrer Seele wohl auch. Oben ragt eine Röhre heraus, das ist der vordere Teil des Kopfes, und den isst man, Percebes haben kein Herz, so kann man sich auch nicht in sie verlieben, Verzehr fällt demnach leichter. Auf Deutsch heißen sie Entenmuscheln, ein doppeltes Missverständnis: Man dachte früher, weil man das Zugverhalten der Vögel nicht kannte, aus den Muscheln, die ja eigentlich Krebse sind, würden Nonnengänse schlüpfen, und irgendwer hat dann auch noch Gänse mit Enten verwechselt. Im Englischen heißen sie etwas weniger falsch Goose barnacles , Gänsepocken, Pocken sind auch Krebse, und ich bin süchtig nach den Biestern. Meine Genesungstheorie geht nun so: Ich esse jetzt einen riesigen Haufen an Entenmuscheln. Jeder kleine Röhrenkopf ist wie ein Stück Radiergummi, vollgesogen mit Meerwasser, also die pure Ladung Salz. Nun soll das Salz den Schleim, den Eiter der Geschwüre und die ganzen restlichen Sedimente der Schlechtigkeit in meinem Körper an sich binden und mit sich rausschwemmen. Ich bestelle den ersten Teller, 700 Gramm. Um nicht zu würgen, trinke ich dazu süßen Portwein, das ist quasi das Fahrzeug, mit

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