Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
aufwendig und rief einen UPS-Boten. Die Fracht war sagenhaft teuer, 500 Euro, dafür konnte man im Internet verfolgen, wo sich die Sendung gerade aufhielt, und sie reiste leider ganz verschnörkelt, langsam wie eine Schnirkelschnecke, herum, was mich nervös machte, denn der Abgabeschluss dräute. Warum müssen die Türen erst nach Paris gehen, nach Peking, Tokio, Fukuoka und erst dann nach Beppu? Ganz knapp, am letzten Abgabetag, kamen sie an, und als Antwort schickt mir das Büro eine Mail und fragt, warum ich denn keine digitalen Bilder gemailt hätte? Stünde doch in der Ausschreibung, erst digital, dann wird ausgewählt, dann erst solle man die Werke schicken. Na ja, jetzt sind sie schon mal da, dachte ich, erleichtert der Jury vielleicht die Entscheidung, mir gleich einen Preis zu geben. Einen Monat später dann auf der Homepage der Biennale, 700 Einreichungen, Kunstwerke mit erregend siegessicheren Titeln wie «Therapy of Silence No.7», «Thaumazein VI of Existence», «To the Sky of No Excuse», «Composition of Memory», «People, Travelers on the Earth», «Arti-Fact IV», «Born in Accumulated II», «Remaining Voice (Pillar)», «What Do You Say People Do Nothing But Fight?». Meine Türen hingegen nirgends, nichts zu sehen, dabei hätte mein Titel doch wunderbar in die Reihe gepasst.
Aber zumindest hatte ich jetzt einen Vorwand, wieder mal nach Beppu zu fahren. Es gibt doch dieses Lied von Hildegard Knef, in dem sie singt, sie hätte noch einen Koffer in Berlin: Bei mir sind es eben Türen in Beppu.
Ich liebe Beppu, ein Kurort, alles so langsam hier, nur Rentner und Behinderte, man hat den Eindruck, das Städtchen stehe auf einer tektonischen Sollbruchstelle wie auf einer Eierschale. Aus allen Ritzen und morschen Rohren brodelt’s und dampft’s, weißer Dampf, überall, als vierte Dimension, es gibt 3700 Thermalquellen und 168 öffentliche Bäder, in denen die Siechen sieden, das ganze Städtchen in Schwefelschwaden wattiert, man muss sich gleichsam durch Nebelwände schneiden. Überall an Straßenständen werden hier Onsen-Tamagos verkauft, Quelleneier, die garen rund eine Stunde bei Temperaturen zwischen 60 und 70 °C im geothermischen Bad, wodurch sowohl Eiklar wie Dotter nur leicht gerinnen und eine gleichmäßig wachsweiche Konsistenz erhalten, vergleichbar mit verlorenen Eiern. Durch die im Wasser gelösten Mineralien nehmen die Eier zusätzlich einen je nach Quelle mehr oder weniger salzig-schwefligen Geschmack an. In Beppu ernähre ich mich ausschließlich von Eiern. Als ich im Museum nach meinen Türen frage, entschuldigt sich die schöne, verblühte Chefin, Michiko Takagawa, ein altes Ginstergirl, den Tränen nahe, schwer zu erkennen, ob echt oder gespielt. Sie bedauert, dass ich nichts gewonnen hätte, und meinen sie beruhigen sollenden Einwand, es sei doch schon ein Gewinn, sie und Beppu kennen zu dürfen, versteht sie nicht auf Anhieb. Dass ich außerdem am liebsten gleich mit ihr durchbrennen würde, spare ich mir lieber. Im Land der diffizilen Etikette wäre ich zu leicht in falsches Fahrwasser geraten.
Wehmütig verlasse ich mit den zwei schweren Türen das Museum und erinnere mich an die ähnliche Situation, als ich die Galerie in Wien mit den Türen verließ. Damals war ich schwer krank, jetzt bin ich nur schwermütig. Hinter der Museumsgardine nehme ich schemenhaft Madame Michiko wahr. Ich wünschte, sie würde weinen, aber nicht die falschen Tränen der Galeristin, sondern die der verpassten Gelegenheiten.
Mit den Türen reiste ich dann durch das untere Japan. Am Ende setzte ich mit der Fähre über nach Korea, dort lebt meine zukünftige Verlobte, also die, die ich dort zu finden hoffte, von Shimonoseki geht die Überfahrt nach Pusan. In der Nacht stehe ich an der Reling und rauche eine «Pianissimo Peche», eine Zigarette, die nach Pfirsich schmeckt, die Türen neben mir. Ich sehe den Aldebaran am Himmel, einen roten Riesenstern, ein Teelöffel wiegt auf ihm 10000 Tonnen. Und mit einem Mal wird mir bewusst, was man da eigentlich um den halben Globus herumschleppt, während einem die Arme immer länger werden. Wenn man jetzt das Gewicht all der Tage addieren würde, die die Türen schon unterwegs sind, käme man sicher auch annähernd auf den aldebaranischen Löffel. Deshalb schmeiße ich sie in die schwarze Koreastraße, wie die Meerenge hier genannt wird, das stoische Wasser macht sich gnädigerweise nichts aus Kunst. Was für Manès Sperber die Tränen im Ozean waren, also
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