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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Szenario, Notamputation eines Auges, erfinden, sie kannte das, schon einmal hatte sie ein ominöses Telegramm vom deutschen Honorarkonsul in Dover bekommen, der mir Geld für die Fähre nach Belgien vorgestreckt hatte, weil mir zu spät eingefallen war, dass man übers Wasser nicht trampen kann. Der Konsul schrieb ihr damals: «Für die Heimführung Ihres Sohnes berechnen wir 250 Pfund», und sie dachte natürlich, ich käme im Sarg heim. Aber jetzt war ich zu schwach oder zu phantasielos für eine Lüge, sagte, ach egal, komm, vergiss es, war nur so eine Idee, und gerade kommt ein mobiler Lauchchüechlihändler vorbei, muss aufhören, kann nicht widerstehen, vielleicht dachte sie, ich brauche das Kapital, um ins Lauchgeschäft einzusteigen. Blass nur entstand in meinem Kopf das Bild, wie ich mit der klobigen Tür und einem großen Lauchkuchen die Heimreise antrete und an der Grenze von skeptischen Zöllnern taxiert werde. Bei der Tür hätte man immer noch sagen können, das ist Sperrmüll, aber beim Kuchen? «Wollen Sie ein Stück?» Lauch habe ich außerhalb Basels auch nie wieder in irgendeiner Darreichungsform zu mir genommen. Lauch – allein der Name, man kann jemanden mit Lauch auspeitschen, aber essen?
    Diese Tür wurde unlängst bei einer Auktion angeboten, Schätzpreis zehn Millionen Dollar, und sie ging auch weg.
    Ich hingegen ging später nach Wien, um dort Kunst zu studieren. Ich wurde auch an der Akademie am Schillerplatz aufgenommen, im Gegensatz zu manch anderem, dem man vielleicht mehr gewünscht hätte, akademischer Maler zu werden, anstatt halb Europa in Schutt und Asche zu legen. Aber das Studium erwies sich als Farce. Bereits nach einer Woche kam ich drauf, dass Kunst zu studieren oder zu erwarten, dass sie einem vermittelt wird, in etwa so ist, als wolle man ein Auto mit Wasser betanken. Ich ließ es bleiben, malte aber weiter so vor mich hin, während ich allabendlich im Café Alt Wien mit Martin Kippenberger saß und Mau-Mau spielte: eindeutig das bessere Kunststudium. Ich hatte dann sogar eine Galerie, verkaufte auch, doch das blieb alles im unteren Segment, im kaum wahrnehmbaren. Einmal rief die Galeristin an, sie wollte, dass ich bei einer Gruppenausstellung mitmache, jetzt, auf der Stelle solle ich etwas bringen, bellte sie mich an. Nur ging es mir gerade nicht gut, ich war schwer krank, ein rätselhafter Virus, eine Art Körperfresser hatte sich in mir eingenistet, ich hatte schon zwei Monate lang Fieber gehabt und in dieser Zeit zehn Kilo abgenommen. Ich war geschwächt wie eine Motte mit nassen Flügeln, hob schwach meinen Kopf von meiner schweißnassen Bettstatt, praktischerweise eine Art Sarg, und sah mich in meinem Zimmer um. Was könnte ich ihr bringen? Nichts da. Malen ging nicht, da sah ich die zwei Türen meines Kleiderschranks, die ich mal zu später Stunde im Stile Salvador Dalís bemalt hatte. Ich hebelte sie aus und schleppte sie willenlos, schwitzend und graugrün im Gesicht in die Galerie, wo mich die Galeristin, auf die Türen deutend, anschnauzte: «Herr Rubinowitz, das ist scheiße!» Mutlos und entkräftet murmelte ich, dass ich mir das nicht gefallen lasse und sie mich so nicht behandeln dürfe, ich sei sehr krank, das sehe sie doch, und dann sah ich, dass sie weinte, ja, soll sie nur, auch wenn ihre Tränen theatralische Tränen des Selbstmitleids waren. Ich ging grußlos, schleppte die Türen wieder heim und wuchtete sie nie wieder in ihre Scharniere, wozu auch? Ein Schrank bleibt ein Schrank, auch wenn er keine Türen hat, wie das Dionne Warwick einst sinngemäß in «A House is not a Home» besang.
    Etwa ein Jahr später sah ich im Newsletter meiner Lieblingsstadt in Japan, dass in Beppu wieder einmal Kunstbiennale ist, eine Art Wettbewerb, da gibt’s einen Preis für das beste Werk, eine Million Yen, und jede Menge Trostpreise (Excellence Prize, Encouragement Prize). Jetzt wusste ich, was ich mit den mich die ganze Zeit fragend anschauenden Türen zu tun hatte. Die Türen mussten nach Beppu, ich wollte The Beppu Art Museum Prize , weil das eines der schönsten Museen der Welt ist, es liegt prächtig an der Beppubucht, ringsum blüht blassgelb der Ginster, das Haus sieht aus wie eine dieser Space-Age-Villen von John Lautner und atmet innen einen Geist aus Bohnerwachs und dezentem Luxus, da sollen meine Türen hängen! Ich gab ihnen den schnittigen Titel «Liebling, ich steh im Brockhaus», allein der Titel ist schon preiswürdig, dann verpackte ich die Türen

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