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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Euro dafür bezahlen, in Zeiten grassierenden Printsterbens und Lohndrückens ein guter Schnitt, nur konnte ich mir partout nicht vor meinem geistigen Auge vorstellen, im Borchardts «abzuwarten» und zu «beschreiben», «was» «sich» «da» «so» «zuträgt», zudem schien mir, dass die Frau Redakteurin mein Buch vollkommen falsch verstanden hatte. «Ramses Müller» ist allenfalls eine Persiflage auf Gesellschaftsberichterstattungen, aber eigentlich nicht einmal das, es ist eher eine Reise ins Innere von ein paar Vollidioten, die zufällig und ohne dass ich damit einen großen Plan verfolgt hätte so heißen wie ein paar bekannte Personen der Weltgeschichte. Man könnte schön einen Bericht schreiben in der Tradition der Subversiven Affirmation und sich dann die Patschehändchen reiben, dass das Klatschblatt auf die allerlahmsten Borderlinemanöver reingefallen ist, ausschließen könnte man aber wohl, dass so ein Text den Verkauf des Buches befeuert, die Schnittmenge zwischen GALA und mir ist einfach zu klein. Ich marterte mir das Hirn, was machen, wo mich hinpflanzen, was besuchen, fand das alles aber unappetitlich, ich kannte und kenne zwar ein paar Berliner, unter ihnen sogar rare autochthone Exemplare, aber ich kann die doch unmöglich zu einem Mario-Barth-Massenaufmarsch, einer Veranstaltung des Kabaretts Die Wühlmäuse oder einem Zug durch Mitte zwingen, und alleine würde ich das nicht durchstehen, würde depressiv werden, so wie mich allein der Gedanke an Berlin schon depressiv macht, dass sich mein Hals wellt. Nach einiger Zeit kam von ihr überhaupt nichts mehr, meine Mails gingen ins Leere, sie verpufften. Sie hatte offenbar, wie ich dem Impressum entnahm, den Arbeitsplatz gewechselt, war nicht mehr bei GALA, und mein Buch war auch schon zu lange nicht mehr neu, so sind mir 800 Euro entgangen. 500 Exemplare meines Buches müsste ich verkaufen, um diesen Betrag zu verdienen, weil es sich stetig, aber langsam verkauft, bräuchte ich dafür schätzungsweise zwei Jährchen, mühsam nähert sich das Eichhörnchen (der Nuss).
    Ich musste also nicht als GALA-Reporter nach Berlin, aber vielleicht sollte ich es trotzdem einmal versuchen, nachsehen, was da so «abgeht», vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, vielleicht ist das ja eine ganz normale Stadt, die sich nur ein bisschen aufplustert, und, äh, gemausert hat? Fünfzig Jahre erfolgreich vermieden, Berlin zu besuchen, war das nun gut oder nicht gut? Vermisse ich etwas (Fassbrause?), und halt, ich hatte doch eine Berlinverbindung! Hatte meine einäugige Oma nicht jahrelang zwischen den zwei großen Kriegen, jeden Winter den langen Weg von Litauen kommend, ein paar Monate in der beliebten Volksküchenkette Aschinger Erbsensuppe gekocht? Übrigens in der Filiale am Rosenthaler Platz (Die 9. Bierquelle), in der sich jetzt das Café Sankt Oberholz eingenistet hat, der beliebte Hangout für Digitale Gammler. Franz Biberkopf besucht diese Läden in Alfred Döblins «Berlin Alexanderplatz» oft und gerne («Der Aschinger-Schrippen à la discrétion wegen, wie der Löffelerbsen, die Studenten mit dem schmalen Wechsel freuen sich. Die Weiber haben dünne Strümpfe und müssen frieren, aber es sieht hübsch aus. Rumm rumm wuchtet vor Aschinger die Dampframme.»). Und war nicht ihre Tochter, also meine Mutter, wenige Tage vor dem Mauerbau nach Westberlin geflohen, um dann gleich weiter in die progressivste Stadt Deutschlands zu ziehen, nach Hannover, schwanger mit mir? Also, das ist doch nicht nichts, oder? War ich dadurch nicht auch irgendwie ein Berliner, selbst wenn nur familiäre Gene an der Stadt vorüberzogen, Moleküle möglicherweise gar Franz Biberkopf streifend?
    Und wie viele Hassbücher es über Berlin gibt, die Stadt, die heute unangefochten das höchste Feuilletonistenaufkommen pro Quadratkilometer vorweisen kann, all die zugezogenen Redakteure, diese ganzen Georg Dieze, sie belferten wie Rumpelstilzchen, weil sie jetzt auch nach Berlin umziehen mussten, ihre Argumente waren haltlos, alleine gespeist aus Heimweh nach Vorgartenidyllen wie Maxvorstadt und Sossenheim. Das machte mich stutzig. Vielleicht ist ja doch was dran an der Stadt, nach der einmal eine Mauer benannt wurde (oder andersrum?), und gäbe es jetzt (Stand 2011) nicht wirklich endlich einmal einen Grund, nach Berlin zu fahren, die Mauer weg, schon seit einiger Zeit, ich komme mir vor wie ein Sträfling, der vor 1989 eingesperrt wurde, jetzt entlassen wird, und plötzlich ein Berlin

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