Run! - Es geht um dein Leben: Thriller (German Edition)
auf Verwandte und Freunde warten konnten. Der Freitagnachmittag hatte bereits eine ansehnliche Menschenmenge hereingespült, vor allem Teenager und junge Mütter.
Ben ging schnell und versuchte, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er riskierte einen Blick über die Schulter, um festzustellen, ob er eine Blutspur hinter sich herzog. Blut sah er keines, dafür aber Jackie, der ihm mit großen Schritten hinterherkam.
Und Jackie lächelte. Die Katze näherte sich der Maus. Seine Hand steckte in der Jackentasche. Dort musste die Waffe sein. Ihre Blicke trafen sich.
Ben kam an eine Kreuzung. Links und rechts von ihm führte jeweils eine kurze Passage zu einem großen Kaufhaus. Schräg gegenüber war ein Elektronikgeschäft, und plötzlich sah ihn sein eigenes Gesicht an, aus einem Dutzend Fernsehgeräte, die alle auf CNN eingestellt waren.
Er wandte sich ab, während er sich mit der Hand in die Haare fuhr, sein Gesicht mit der Handfläche verdeckte und so tat, als wäre er tief in Gedanken versunken. Nachdenken. Er musste nachdenken. Ihm wurde klar, dass er ein großes Geschäft brauchte, einen Ort mit kurzen Sichtlinien, wo er Jackie abhängen konnte. Er drängte sich durch die dichter werdende Menge – auf der Kreuzung gaben zwei Jongleure eine Vorführung, und die Leute blieben stehen, um zuzuschauen – und ging auf eines der weniger exklusiven Kaufhäuser zu. Ben hoffte, dass dort mehr los war, dass es dort mehr Kunden und Waren gab als in den teuren Geschäften. Dass er sich dort besser verstecken konnte.
»Sie bluten ja«, sagte eine ältere Frau zu Ben. Sie hatte Einkaufstüten von Pottery Barn und Macy’s bei sich und zeigte auf sein blutverschmiertes Hemd. Und dann auf sein Gesicht. Sie schürzte die Lippen. Ben lächelte sie zaghaft an und nickte kurz. Dann lief er an ihr vorbei.
»He, warten Sie«, rief die Frau.
Sie holte vielleicht einen Wachmann. Ben riskierte einen Blick hinter sich. Jackie behielt den Abstand zwischen ihnen bei und wagte es angesichts der vielen Zeugen offenbar nicht, sich ihm zu nähern. Wo die Frau hingegangen war, konnte er nicht sehen.
Ben betrat das Kaufhaus und ging an einer jungen Frau vorbei, die parfümierte Papierstreifen verteilte. Dann kam er an einigen mit Silberpapier verhüllten Tischen vorbei, auf denen bunt verpackte Geschenke lagen, und an großen Schildern, die in großen roten Buchstaben einen Rabatt von 15 % verkündeten. Er wich Müttern aus, die ihre Kinderwagen zwischen den Auslagen hindurchschoben, Paaren, die Hand in Hand durch die Gänge gingen, drei Frauen, die die Brautkleidabteilung suchten.
Es war ein Fehler gewesen. Zu viele Leute, und wenn Jackie zu schießen begann … Ben betrat die Rolltreppe und eilte an den Leuten vorbei, die stehen geblieben waren. Als er sich umdrehte, sah er Jackie, der ihm seelenruhig nachkam. Ben befürchtete, dass der Junge einfach seine Waffe ziehen, ihn mit einem Kopfschuss erledigen und es darauf ankommen lassen würde, trotz der vielen Zeugen zu fliehen. Zweiter Fehler, dachte Ben. Wenn er noch einen Fehler machte, wurde vielleicht ein unbeteiligter Zuschauer getötet. Bei dem Gedanken daran wurde ihm übel.
Jackie betrat die Rolltreppe.
Ben verließ die Rolltreppe und nahm gleich die nächste, die in die zweite Etage führte. Dort bog er scharf nach links ab und lief durch die Abteilungen für Haushaltswaren und Möbel.
Die Waren standen hier dichter beieinander, und hohe Stellwände schufen Schlafzimmer, Wohnzimmer und Arbeitszimmer, was es Jackie nicht so leicht machte, ihn zu entdecken. Ein Labyrinth aus sorgfältig arrangierter Wohnkultur. Weniger Kunden; vermutlich verkauften sich Möbel abends oder an Wochenenden besser. An einem Freitagnachmittag interessierte sich jedoch kaum jemand dafür.
Eine der Nischen war mit Wohnzimmermöbeln im asiatischen Stil eingerichtet: ein niedriger Couchtisch aus Teak, ein schlichtes Sofa mit roten Seidenkissen, die mit chinesischen Schriftzeichen bestickt waren, eine Statue aus Jade, eine große Vase, die mit Kranichen und Blumen bemalt war. Mit beiden Händen packte Ben die Vase. Seine Arme protestierten heftig. Die Vase war schwer und reichte ihm vom Bauch bis zum Kopf.
Ben versteckte sich hinter der Stellwand und wartete.
Jackie rannte an ihm vorbei und starrte konzentriert vor sich, um Ben zu finden. Mit sechs Schritten war Ben hinter ihm und holte mit der Vase aus, in dem Moment, in dem Jackie sich umdrehte und die Hand in seine Jackentasche steckte. Die
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