Run! - Es geht um dein Leben: Thriller (German Edition)
dreimal an dem renovierten Gebäude vorbei und ließ den Volvo dann in einer Parkgarage in einer Seitenstraße der Second Street stehen. Kneipengänger und Musikliebhaber bevölkerten die Straßen. Auf zwei Kreuzungen waren Bühnen errichtet worden, auf denen Bands Bluesmusik spielten. Aus jeder Bar in der Nähe drang laute Musik. Pilgrim wünschte, er könnte in eine der Bars gehen, ein kaltes Bier bestellen und sich in der Musik verlieren. Dann würde er sich nicht mehr mit Gewalt und Waffen beschäftigen müssen, es sei denn, ein eifersüchtiger Liebhaber sang darüber. Stattdessen suchte er sich eine günstig gelegene Jazzbar im Freien, setzte sich an einen Tisch auf dem Bürgersteig und trank eine Cola. Eine ältere Frau, die ein geblümtes Kleid und einen pinkfarbenen Hut trug, als wollte sie gleich in die Kirche gehen, saß an einem Klavier, griff mit Inbrunst in die Tasten und sang über einen Nichtsnutz von Mann, den sie nicht aufgeben konnte und brauchte wie die Luft zum Atmen.
Pilgrim trank einen Schluck von seiner Cola. Er trug eine ockergelbe Baseballmütze mit dem Logo der Texas Longhorns und einen Blouson, den er in dem gestohlenen Volvo gefunden hatte. Die Mütze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen; der Blouson war ihm zu groß, doch er verdeckte seine Waffe.
Er beobachtete den Parkplatz des Waterloo Arms, obwohl er nicht einmal wusste, ob Teach wirklich in dem ehemaligen Hotel war. Ein Schild am Zaun verkündete, dass es sich hier um ein Projekt der McKeen Property handelte, das unter dem Namen Waterloo Arms Court mehrere Hundert Quadratmeter Büround Ladenfläche sowie ein Steakhouse der Kette Blarney’s beherbergte. Die Eröffnung sollte in zwei Monaten sein.
Blarney’s. Das war der Name des Steakhouses auf dem Streichholzbriefchen, das er bei einem der toten Schläger gefunden hatte. Das war mit Sicherheit kein Zufall.
Am Zaun patrouillierten zwei Männer in dunklen Anzügen, von denen einer immer in Sichtweite des Hintereingangs blieb. Das konnte nur eines bedeuten: Die beiden bewachten das Gebäude.
Die Männer in den Anzügen sahen ganz anders aus als die Entführer. Die beiden waren weiß, groß und untersetzt, mit einem raspelkurzen Bürstenschnitt. Und ihre Jacketts hatten eine verdächtige Beule, unter der mit Sicherheit eine Waffe versteckt war. Sie sahen aus, als würden sie für ein privates Sicherheitsunternehmen der gehobenen Kategorie arbeiten.
Die beiden Wachen patrouillierten nicht zusammen. Einer ging im Uhrzeigersinn am Maschendrahtzaun entlang um das Grundstück herum; der andere lief in die entgegengesetzte Richtung. Wenn sie am äußersten Rand des Grundstücks waren, verloren sie sich für mindestens eine Minute aus den Augen. Die Südseite des leeren Gebäudes ging auf die belebte Second Street hinaus, der östliche Teil grenzte an ein Schmuckgeschäft und Designbüros, der nördliche an die Third Street, und der westliche an eine andere Baustelle, die ebenfalls eingezäunt war. Zwischen den beiden Baustellen war ein schmaler Weg zu erkennen.
Pilgrim klappte Barkers Mobiltelefon auf, ohne es einzuschalten, hielt es sich ans Ohr und tat so, als würde er sich mit einem Freund unterhalten. Dabei ging er auf und ab, als wäre er einer jener Männer, die immer und überall von einer Mobilfunkblase umgeben waren.
»Ich bringe diese Scheißkerle um«, sagte er zu sich. »Und dann zwinge ich Teach, mich zum Essen einzuladen und meine Kündigung zu akzeptieren … Ja … Ja.«
Er nickte, während er das Telefon in der Hand hielt und die beiden Wachen auf ihrer Patrouille beobachtete. Er konnte keinen der beiden von der Straße aus erschießen, dazu waren zu viele Passanten unterwegs. Und wenn sie per Telefon oder Funk Bericht erstatteten, würde er die anderen im Innern des Hotels vielleicht warnen, wenn er die Wachen ausschaltete. Also musste er versuchen, an ihnen vorbeizukommen.
Der Holzzaun auf der angrenzenden Baustelle war nicht mit Stacheldraht gesichert. Das war der Weg des geringsten Widerstands. Pilgrim wartete, bis die Wache, die ihm am nächsten war, um die Ecke verschwunden war. Dann rannte er zu dem Zaun der angrenzenden Baustelle. Er steckte das Mobiltelefon in die Tasche, nahm Anlauf und machte einen Satz in die Höhe. Seine Finger konnten gerade noch das obere Ende des Zauns packen, und er stöhnte auf, als er sich mit schmerzenden Armen hochzog und die Beine über den Zaun schwang. Auf der anderen Seite ließ er sich fallen und rannte zur Ostseite.
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