Run! - Es geht um dein Leben: Thriller (German Edition)
Dann blieb er stehen und lauschte.
Pilgrim hörte, wie eine der Wachen am Zaun entlangging. Zuerst dachte er, die Wache würde mit sich selbst reden, doch dann wurde ihm klar, dass der Mann über ein Ohrstück kommunizierte.
»Ja«, sagte die Wache. »Hier geht’s mir entschieden besser als in Bagdad. Dort habe ich zwar Neunzigtausend verdient, aber meine Alte war ständig am Meckern und hat sich jede Nacht in den Schlaf geweint. Ich werde jetzt nur noch Inland oder vielleicht noch Afrika machen, bis auf Somalia, die Leute da haben nicht alle Tassen im Schrank … Ja, wirklich …«
Pilgrim sah auf die Uhr. Und lauschte darauf, ob sich die zweite Wache näherte oder der Mann, den er gerade gehört hatte, zurückkam. Doch die beiden hielten sich an ihren Rhythmus. Er hatte eine Minute, plus minus zehn Sekunden.
Diese zehn Sekunden konnten über Leben oder Tod entscheiden.
Er sah sich auf der verlassenen Baustelle um. Auf einer Seite stand ein Bürocontainer, ungefähr in der Mitte des Grundstücks. Daneben war ein Gabelstapler geparkt. Pilgrim zog einen Dietrich aus der Tasche und hatte nach fünf Sekunden das Schloss des Wohnwagens geknackt. Eine Alarmanlage gab es nicht.
In dem Büro herrschte Chaos. Die Schlüssel für den Gabelstapler hingen an einem Haken neben einem der Schreibtische.
Er lauschte auf die Schritte der Wache, und als der Mann am Zaun vorbei war, rannte Pilgrim zu dem Gabelstapler, ließ den Motor an und fuhr ihn an das Stück des Zauns, das an das Hotelgrundstück angrenzte. Dort hielt er an und schaltete den Motor aus. Der Lärm, den er gemacht hatte, war von der lauten Musik des Bluesfestivals übertönt worden. Er sah auf die Uhr: Er hatte noch zehn Sekunden.
Zwanzig Sekunden später hörte er, wie die Wache vorbeiging.
Pilgrim kletterte auf das Dach des Gabelstaplers und legte sich flach auf den Bauch. Er lugte über den Zaun, der etwa sechzig Zentimeter über dem Dach des Gabelstaplers aufhörte, und sah, wie die Wache sich von ihm entfernte.
Zwischen den beiden Zäunen lagen etwa ein Meter und zwanzig Zentimeter. Mit einem Satz sprang er über die Lücke.
Es war knapp, doch er schaffte es, mit den Füßen nicht in den Stacheldraht zu geraten. Pilgrim landete hart auf dem Boden und rannte auf die am nächsten liegende Tür zu, die sich in einer kleinen Nische befand.
Er drehte am Knauf. Die Tür war nicht verriegelt.
Mit gezogener Waffe öffnete er die Tür und betrat dann einen Korridor, der nur durch ein paar Leuchtstoffröhren an der Decke erhellt wurde.
Er schloss die Tür und lauschte. Keine Alarmanlage.
Pilgrim ging an den Türen im Korridor vorbei und rüttelte an den Knäufen. Die dritte Tür öffnete sich. Sie führte zu einem Treppenhaus. Als er ein paar Stufen hinaufgegangen war, hörte er Schritte hinter sich. Er wirbelte herum. Eine der beiden Wachen stand vor ihm und richtete eine Pistole auf ihn. »Keine Bewegung!«
Ich werde mich doch nicht von einem Mietpolizisten überwältigen lassen, dachte Pilgrim. »Soll ich die Hände hochnehmen?«
»Hände ineinander verschränken, mit den Handflächen nach oben. Runter von der Treppe, auf den Boden.« Der Mann hörte sich nicht wie ein privater Sicherheitsbeamter an. In seiner Stimme lag Autorität.
Pilgrim kam die Treppe herunter. »Wo ist Teach?«
»Auf den Boden. Auf die Knie. Das war die letzte Warnung. Dann schieße ich.«
Der Mann arbeitete mit Sicherheit nicht für ein privates Sicherheitsunternehmen. Pilgrim tat so, als würde er sich hinknien. Als er so weit unten war, dass er den richtigen Hebel hatte, warf er sich nach vorn, rammte seinen Kopf in den Magen des Mannes und schob ihn nach hinten gegen die Wand.
Der Kerl bestand nur aus Muskeln. Er schlug auf Pilgrims Kinn ein, mit einem Schlag aus dem Muay Tahi Boran, einer thailändischen Kampfsportart. Pilgrim war überrascht, aber er wich dem zweiten Schlag aus, donnerte dem Mann seine Faust auf die Schläfe, einmal, zweimal, und hieb ihm dann mit dem Griff seiner Pistole auf den Hinterkopf. Der Mann taumelte für einen Moment, und das war alles, was Pilgrim brauchte. Als sein Gegner zusammenbrach, schlug Pilgrim noch einmal mit der Pistole zu, um ihn am Boden zu halten. Doch als er das Ohr des Mannes sah, in dem ein Ohrstück steckte, wusste er, dass die andere Wache alles mitbekommen hatte und sofort reagieren würde. Er durchsuchte den am Boden liegenden Mann nach einer zweiten Pistole, fand jedoch nur eine Plastikkarte in seiner Tasche, die ihn als
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