Run! - Es geht um dein Leben: Thriller (German Edition)
und das Zimmermädchen hielt ein Walkie-Talkie in der Hand und sagte: »Ja, ich habe gehört, wie Glas zerbrochen ist.« Sie wartete auf eine Antwort. »Okay.« Dann zog sie einen Schlüsselbund aus der Tasche und kam auf die Tür zu.
Ben riss die Tür auf und ging an ihr vorbei. »Ich habe die Kaffeekanne fallen gelassen«, sagte er über die Schulter zu ihr. »Tut mir leid. Ich hab schon versucht, das Chaos aufzuräumen.« Er behielt die Hand vor sich und rollte den Hemdsärmel herunter, um die Schlinge der Plastikfessel zu verstecken. Als er den Fahrstuhl erreicht hatte, warf er einen Blick zurück. Die Frau starrte ihn an. Sie starrte sein Gesicht an. Er betrat den Fahrstuhl, dessen Tür offen stand, und fuhr in die Lobby hinunter.
Ben eilte am Empfang vorbei und ging nach draußen, wo er von einer kühlen Brise empfangen wurde. Der gestohlene Volvo stand nicht mehr an der Stelle, an der sie ihn geparkt hatten. Er erstarrte und wusste nicht, was er tun sollte. Als er sich umdrehte, sah er durch die Glastüren am Eingang einen Hotelangestellten, der hinter dem Empfang stand und den Hörer eines Telefons am Ohr hatte.
Der Mann beobachtete ihn.
Ben drehte sich um und ging über den Hotelparkplatz. War das Verfolgungswahn, wenn man sicher war, dass einen alle anstarrten, dass alle wussten, wer man war, dass alle nach einem griffen und versuchten, einen in die Dunkelheit zu ziehen? Es war wie ein Wurm, der sich drehte und wendete und einen von innen her auffraß.
Er musste ein Auto finden.
Das Hotel lag an einer vielbefahrenen Durchgangsstraße in Plano, einer der größten Vorstädte in der Nähe von Dallas. Direkt gegenüber befanden sich einige Kettenrestaurants – Cajun, mexikanisch, Fisch und Meeresfrüchte, ein Steakhouse -, und dahinter war ein Einkaufszentrum mit einem Geschäft für Sanitärbedarf, einem kleinen Laden für Kunsthandwerk, einem Möbelhaus, einer Buchhandlung. Dutzende Autos parkten dort, doch er hatte keine Ahnung, wie er eines davon stehlen sollte.
Halt. Nachdenken. Wenn er Millionenverträge aushandelte, blieb er immer ganz ruhig. Dann konnte er jetzt auch ruhig bleiben.
Jemandem die Schlüssel entreißen – nein. Er würde auf keinen Fall jemanden überfallen. Und heutzutage ließ niemand mehr seinen Wagen stehen, ohne ihn abzuschließen.
Was hatte Pilgrim vorgeschlagen, als sie in die Parkgarage in Austin gerannt waren, für den Fall, dass sie einen Wagen hätten stehlen müssen? Genau. Man suchte nach Schlüsselkästchen, die unter der Stoßstange des Wagens befestigt waren. Ben entschied sich für die Reihe auf dem Parkplatz, in der die meisten Autos standen, und lief in gebückter Haltung von Wagen zu Wagen. Teure Sportwagen ignorierte er. Er war der Meinung, dass er bei Autos mit bunten Aufklebern wie »Baby an Bord« am Heck vielleicht mehr Glück hatte – eine Frau, die ihre Kinder dabeihatte, würde wohl eher Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass sie sich aus dem Auto aussperrte. Ben nahm sich gezielt solche Autos vor.
Großer Gott, sagte er sich, du denkst schon wie ein Autodieb. Na großartig. Was hatte Pilgrim über seinen Job gesagt? Wir erledigen die schmutzige Arbeit, die getan werden muss. Pilgrim hatte Recht. Man tat das, was getan werden musste, um sich wehren zu können.
In einiger Entfernung hörte er Polizeisirenen.
Eine Frau, die vier Autos von ihm entfernt in ihren Wagen stieg, bedachte ihn mit einem wütenden Blick, als wüsste sie genau, was er vorhatte. Während sie rückwärts vom Parkplatz fuhr, griff sie zu ihrem Mobiltelefon und hielt es sich ans Ohr.
An dem nächsten Wagen, den er sich vornahm – ein Ford Explorer -, ertasteten seine Fingerspitzen das kleine Rechteck eines Schlüsselkästchens.
Er klappte das Kästchen auf und hoffte inständig, dass es keinen Haustürschlüssel enthielt, doch es war tatsächlich ein Autoschlüssel. Innerhalb von zehn Sekunden saß er in dem Wagen. Während er den Explorer aus dem Parkplatz bugsierte, sah er, wie zwei Streifenwagen mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz des Hotels rasten. Er fuhr den Explorer auf die Rückseite des Einkaufszentrums und bog in eine Seitenstraße, um möglichst viel Abstand zwischen sich und die Polizei zu bringen.
Und jetzt?, dachte er.
Zehn Minuten lang fuhr er nach Westen – Plano schien zum größten Teil aus breiten Straßen zu bestehen, von denen die verschiedenen Wohnviertel abgingen. Die Monotonie wurde lediglich durch ein paar Einkaufszentren unterbrochen.
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