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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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unter dem ernsten Blick der Götter die Mächte der Abgründe anrief.
    Wenn die Nomaden einen Hund getötet hatten, musste die Meute ganz nah sein. Wie viel Zeit würden die Bestien brauchen, um Marikani zu finden? Eine Stunde? Zwei? Vielleicht weniger?
    Arekh hob den Blick und entdeckte, was er suchte: einen kleinen Pfad, der geradewegs zum Bergkamm führte. Gewiss war es ein Fallenstellerweg, der von der Passstraße abzweigte und in die Felsen hinaufführte. Genau das brauchte er: Er musste sich rasch entfernen, bevor die Hunde angriffen und keinen Unterschied mehr zwischen denen, die zu suchen ihnen befohlen war, und den übrigen Mitgliedern der Gruppe machten.
    Sollte er Mîn sagen, dass er mitkommen sollte? Die
Hunde waren auch nicht auf ihn geprägt. Arekh zögerte einen Augenblick und entschied sich dann dagegen, etwas zu sagen. Der Junge war doch nicht dumm, er musste die Gefahr erkannt haben! Wenn er zu bleiben beschloss, war das seine Sache.
    Ohne ein Wort oder eine Geste des Abschieds schlug Arekh den Pfad ein und begann den Aufstieg. Er drehte sich nicht um, sah nicht, ob die beiden Frauen stehen geblieben waren, um ihm nachzublicken, oder ob Mîn eine Bewegung gemacht hatte, ihn zurückzuhalten. Er beschränkte sich darauf, einen Schritt nach dem anderen zu machen, da er spürte, dass der Hang ihn mit jeder Sekunde weiter vom Herzen der Gefahr entfernte.
    Es war höchste Zeit.
    Eine seltsame Kälte breitete sich entlang seiner Wirbelsäule aus. Ein Eindruck, den er gut kannte, ein persönliches Signal, das ihm anzeigte, dass etwas nicht in Ordnung war. Seine Sinne hatten eine unmerkliche Veränderung in seiner Umgebung wahrgenommen, und sein Körper ließ ihn das wissen.
    Vor wärts , sagte er sich, geh weiter , und er stieg noch eine gute Minute lang weiter den Pfad hinauf, der immer steiler am Hang emporführte.
    Dann wurde das Alarmgefühl überwältigend, so dass er stehen blieb und den Blick auf die Straße richtete.
    Die Gruppe, die nun noch aus Mîn und den beiden Frauen bestand, war etwa zwanzig Meter unter ihm; ein recht steiler Felsabhang trennte sie von Arekh.
    Es waren sechs Hunde. Sie liefen den gegenüberliegenden Berghang hinab auf Marikani zu. Sie kamen von Süden, hinterließen eine lange Spur im Schnee und liefen in völliger, unwirklicher Stille. Es waren keine Wölfe, der Unterschied war gering, aber offensichtlich: Ihr Fell war
heller, ihr Kopf wuchtiger, und sie bewegten sich anders voran.
    Marikani und Lionor waren erstarrt. Mîn machte noch einige Schritte, bevor er die Gefahr bemerkte, stehen blieb und die Tiere schweigend beobachtete.
    Arekh dachte, dass es dem Anblick nicht an einer gewissen Schönheit mangelte. Er hatte den Eindruck, als sei die Zeit stehen geblieben. Das Licht der drei Monde erhellte den Schnee und die Straße mit milchigem Leuchten. Die eisige Luft roch nach den Bergen, sprach von Kiefern, vom Wind, von eisigem, munterem Wasser, das über Felsen sprudelte. Und die Hunde kamen näher, wie eine wortlose Metapher.
    Nur sechs , dachte Arekh, dessen Verstand fieberhaft zu arbeiten begann. Letzte Nacht haben mehr als sechs geheult. Und es müssen Menschen bei ihnen sein - ja, Hundeführer, die die Meute begleiten. Diese Tiere hier sind die Vorhut, die wahre Meute kann nicht fern sein - und mit ihr die Jäger.
    Die Hunde hatten die Straße erreicht und waren stehen geblieben, als wollten sie den Flüchtlingen den Weg versperren. Jetzt sah Arekh ihre gelben Augen. Sie funkelten nicht wie Topase, wie es in den Legenden hieß, sondern waren einfach die Augen wilder Tiere. Die Hexerei zerfleischte ihnen die Eingeweide. Was hätte man nicht getan, um sich solcher Qual zu entledigen?
    Mîn hob eine Art Stock vom Boden auf und stellte sich vor die beiden Frauen. Nach einem Augenblick des Zögerns traten diese ihrerseits vor, und Marikani bückte sich, um einen Stein aufzuheben. Wie auf ein unsichtbares Signal hin bewegten sich die Tiere langsam auf sie zu.
    Geh weiter , sagte sich Arekh, entferne dich … Du hast es nicht nötig, das mit anzusehen.
    Er hatte schon genug blutige Bilder im Kopf; noch
eines musste er der Liste nicht hinzufügen. Und außerdem wussten nur die Götter, was die Hunde tun würden, sobald sie ihre Opfer in Stücke gerissen hatten. Wenn sie dann noch Hunger hatten, würden sie sich vielleicht einer anderen Beute zuwenden …
    Ja, Arekh musste sich entfernen. Dennoch rührte er sich noch immer nicht, als weigerten sich seine Füße, ihm zu

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