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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Schlußfolgerung gelangt, daß es nichts mit Wikingern zu tun hatte, denn die waren schließlich Europäer. Es hatte mir ein Gesicht gezeigt, das ich aus meiner eigenen Erfahrung und meinen Interessen verstehen würde. Ein Gesicht, dessen Botschaft viel tiefer reichte. Ein Gesicht, das mich davon überzeugt hatte, daß ich ein glücklicherer Mensch sein würde, wenn ich nie wieder einen Fuß dorthin setzte. Es hatte Rick Leib und Seele genommen, und das war mehr als genug. Ich hoffte, ich hoffte, daß meine Freunde und ich sicher wären, solange wir nur dort wegblieben.
    Und vielleicht würde die Zeit unsere Wunden heilen. Und wir würden vergessen können.
    Ich kam am Nachmittag in Bloomington an, und während der nächsten Stunden versuchte ich hysterisch, mich in den efeubewachsenen Mauern von Scott Hall einzugewöhnen. Wenn ich mich unmenschlich beschäftigen würde, könnte ich auch weniger darüber grübeln, was ich bei Tri-Lakes gesehen hatte.
    Doch später gab es nichts mehr zu tun, und sobald ich etwas langsamer machte, um mich umzuschauen, breiteten sich düstere Gedanken in meinem Hirn aus. Ich war in diesem Land ein Außenseiter, der hineinblickte, ein Fremder in einem fremden Land. Um die Sache noch zu verschlimmern, fand ich zwar Phils Zimmer, aber keinen Phil. Also ging ich durch die Stadt, mit den Händen in den Taschen und hängenden Schultern zum Schutz vor dieser fremden Gesellschaft. Ich ging vorbei an Plattenläden, an Feinkostgeschäften und an Bars, aus denen Böen von Musik auf die Straße wehten, wenn die Türen geöffnet wurden. Und schließlich fand ich einen Schnapsladen. Schuster, bleib’ bei deinen Leisten. Ich kaufte mir ein Zwölferpack und eine Tüte Doritos, und trank mich in meinem Zimmer in den Schlaf, ein Gulliver in einer wachsenden Stadt aus Bierdosen.
    Am Samstagmorgen kam mein Zimmergenosse an und brachte mehr Abfall mit, als man auf irgendeiner Müllhalde finden könnte. Er weckte mich mit dem schlimmsten Kater der jüngeren Geschichte auf, und mein Elend schien ihn völlig kaltzulassen. Sein Name war Greg Tyler, und er kam aus einer noch kleineren Stadt als ich mit Namen Taylorville. Greg war untersetzt, fast schon dick, und er hatte kornfarbenes Haar und ein Gesicht, dessen Ausdruck jenseits aller Liebenswürdigkeit in das Glück der Dummheit überging. Als er in seinen Turnschuhen und einem Darth Vader-T-Shirt hereinkam und einst weiße, nun graue Unterwäsche in eine Schublade stopfte, war es keine große Überraschung für mich zu erfahren, daß er Informatik studierte. Ein Computerfreak.
    Als er ein Poster mit dem berühmten Bild von Albert Einstein, wie er die Zunge herausstreckt, an die Wand klebte, wollte ich Greg schon völlig abschreiben. Doch dann machte er Pause und holte ausgerechnet eine Wasserpfeife hervor. Erstaunt sah ich zu, wie er Hasch in den Pfeifenkopf füllte, anzündete und ins Leben saugte. Mein dicklicher Computermagier hatte also auch ein wahres Laster. Und ich glaube, das versöhnte mich mit ihm. Das und die Tatsache, daß er bald aus einer Sporttasche eine frische Schachtel Donuts hervorholte. Nun war ich doch noch in der Gegenwart eines anderen menschlichen Wesens, dessen Geschmack für Donuts makellos war.
    Vielleicht war Andrews doch keine so schlechte Idee gewesen. Vielleicht war es wirklich der erste Schritt auf einem neuen und besseren Weg.
    Doch wie sich herausstellte, war ich einfach nur naiv.
     
    Samstagabend. Phils Zimmer im zweiten Stock ließ mein eigenes Zimmer verblassen. Frühere Bewohner hatten es irgendwann umgebaut. Schlafkojen waren eingebaut worden und hatten genügend Platz für einen Sessel, einen kleinen Kühlschrank und ein Bücherregal gelassen, auf dem Ashley Hopkins’ Terrarium voller Einsiedlerkrebse stand. Es gab eine Stereoanlage und einen kleinen Farbfernseher, die beide nicht Phil gehörten, und die Wände waren voller Poster und Bilder. Über dem Bett hing ein Aufkleber, auf dem stand: Keine Jungfrauen hier – Andrews College fickt alles.
    Ich nahm das alles einige Minuten lang in mich auf und fühlte eine wachsende Scham wegen meines eigenen langweiligen Zimmers.
    »Verdammt, Phil, das hier ist ein Penthouse.«
    Phil grinste bescheiden. »Ich nenne es mein Zuhause.« Er wies auf den Sessel, in den ich mich fallen ließ, und er machte sich auf seinem Bett in der unteren Koje breit.
    Ich grinste böse. »Na, wie ist Ashley? Ist er ’ne Tunte?«
    »Nicht wirklich.« Phil schüttelte den Kopf. »Bislang hat der

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