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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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»Fasse dich kurz. Man verliert so leicht den Faden bei einer solchen Handlung.«
    Ich setzte mich neben ihn aufs Sofa und sah zu, wie schreiende kleine Japaner aus Gebäuden rannten und so von Panik überwältigt waren, daß ihre Stimmen hinter ihren Mundbewegungen zurückblieben.
    Komm schon, fang an.
    »Dad, mir schwirrt etwas im Kopf herum seit deinem … nun, du weißt schon.«
    Er blickte mich an, und ein Funke Vorsicht blitzte in seinen Augen. »Und was?«
    »Als Mom am nächsten Morgen zurückkam, sagte sie, du wärst für einige Sekunden bei dir gewesen. Und du hättest nur nach mir gefragt. Ob ich in Sicherheit sei. Es hat mich ziemlich verstört, Dad. Kannst du dich daran erinnern?«
    Er schüttelte den Kopf und tätschelte mein Bein. »Nein, Chris, kann ich nicht. Ich kann mich an nichts bis zum Donnerstag erinnern.«
    »Oh.« Pause. »Dann weißt du also nicht, warum du das gesagt hast.«
    Er runzelte die Stirn und starrte seine Fußbank an. »Das habe ich nicht gesagt, Chris.«
    Ich hielt für einen Moment den Atem an. Die Tatsache, daß er sich nicht an seine Handlungen erinnerte, dafür aber seine Motive verstand, schien noch unheilverkündender.
    »Ich glaube nicht, daß ich dir das erzählen sollte, Chris. Ich weiß nicht, wofür es gut sein soll, wirklich nicht.«
    »Bitte. Es ist wichtig für mich.«
    Er nickte müde und gab auf, das Geheimnis, das er in sich trug, bewahren zu wollen. Und innerlich verfluchte ich mich dafür.
    »Wir waren gerade fertig mit dem Abendessen«, sagte er. »Deine Mom und ich räumten den Tisch ab. Sie stand an der Spüle und ich am Fenster. Ich sah raus zu dem Holzstapel und dachte daran, wieviel Spaß wir an der Arbeit gehabt hatten, bevor du gefahren bist. Und dann hatte ich vermutlich eine Halluzination. So wie ich mich daran erinnere, ging sie dem Herzanfall voraus, aber ich begreife nicht, wie das sein könnte. Also war es wohl nur eine Nebenwirkung, und ich erinnere mich nur nicht richtig.«
    Ich wartete darauf, daß er fortfuhr, worauf er offensichtlich nicht allzu erpicht war. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. »Was war es?«
    Er schloß die Augen. »Du warst es. Oder besser: ein Teil von dir. Du lagst neben dem Holzstapel. Blutüberströmt. Und jemand stand da mit einer Axt. Und hielt deinen … Kopf.«
    Jeder Muskel in meinem Leib verkrampfte sich. Ich vergaß sogar zu atmen.
    »Und ich bin mir nicht sicher, will mir auch gar nicht sicher sein«, sagte er langsam und schmerzhaft, »aber ich glaube, es war Aaron.«
     
    Eine halbe Stunde später fuhr ich hoch nach Tri-Lakes, und mein Fuß lastete wie Blei auf dem Gaspedal. Es fehlte nicht viel, und ich hätte die Kontrolle über den Wagen verloren. Ich bremste in der Sackgasse ab, wobei das Heck mit kreischendem Gummi nach vorne schlitterte.
    Ich sprang aus dem Auto und schloß nicht einmal die Tür. In einer Hand hielt ich die Axt, die neben meinem Kopf in den Baum gesaust war, und ich fragte mich, ob Dad sie wohl erkannt hätte. Ich schritt durch Unkraut auf den Hain zu, wo die Bäume ungerührt, grün und laubgekrönt in den wolkenlosen Himmel blickten. So wie an dem Tag, als ich ihnen zuletzt gegenübergestanden hatte. Und ich hatte mich damals für zornig gehalten.
    »Ihr habt meine Aufmerksamkeit«, schrie ich. »ABER LASST VERDAMMT NOCH MAL MEINE FAMILIE AUS DEM SPIEL!«
    Die Worte schienen hallend durchs Tal zu rollen. Wieder einmal war ich über die Absurdität verwundert, wie etwas so Falsches in dieser pastoralen Landschaft existieren konnte.
    »LASS UNS ZUM ENDE KOMMEN!« schrie ich ganz freimütig, weil mir alles besser schien, als diese endlosen Sticheleien und die Frage, warum es sich gerade mich ausgesucht hatte, wie ein Schulrüpel, der dem Neuling die Hölle heiß macht. Und so behauptete ich meine Stellung und erinnerte mich daran, wie es das letzte Mal meine Herausforderung angenommen hatte. Wie es mir ein anderes Tri-Lakes, sein alter ego, gezeigt hatte.
    »NA, FANG’ SCHON AN!« schrie ich und schleuderte die Axt in den Hain. Für einen Augenblick war ich verwirrt von der Schönheit des Wurfes. Das Beil wirbelte durch die Luft, bis es auf Brusthöhe im größten Baum einschlug. Es sah aus, als sei es von einem Fachmann geworfen worden. Einem Krieger.
    Ich rannte in das Wäldchen und befreite die Axt, schwang sie wieder. Rinde flog durch die Luft. Ich sackte zwischen Zweigen und vermoderndem Laub auf meine Knie und schwang das Beil wieder und wieder. Ich weinte, fluchte und hieb mit

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