Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
Vom Netzwerk:
die Susan angeblich nicht hatte finden können.
    |264| 57
    Susans mühsame, heisere Atemzüge drangen bis in den Vorraum, in dem Melkorka stand. Verständnislos blickte sie auf die Schlüssel des Leihwagens in ihrer Hand. Sie hatten beide in allen Räumen und in jedem Winkel der Holzhütte danach gesucht.
    Wie konnte Susan übersehen, dass der Schlüsselbund in ihrer eigenen Jackentasche lag?
    Melkorka eilte zurück in den Toilettenraum. Susan umklammerte mit beiden Händen ihre Brust und rang nach Luft.
    »Hier«, sagte Melkorka und reichte ihr das Fläschchen.
    Susan sprühte sich das Asthmaspray in mehreren kleinen Dosen in den Rachen, bis ihr Atem wieder ruhiger ging. Dann stand sie auf, beugte sich über das Waschbecken und wusch sich den Schweiß von Stirn und Wangen.
    »Ich habe die Schlüssel gefunden«, sagte Melkorka.
    Susan schaute vom Waschbecken auf und sah Melkorka fragend an.
    »Sie waren in deiner Jacke«, fuhr Melkorka fort und hielt den Schlüsselbund hoch.
    Susan schien völlig überrascht: »Daran habe ich gar nicht gedacht. Sie hatten mir die Schlüssel abgenommen, als wir hier ankamen.«
    |265| Melkorka schloss die Augen und versuchte, die Erinnerung daran aus ihrem Gedächtnis hervorzukramen. Was war passiert, als Susan und sie in die abgelegene Hütte gebracht wurden? Der Kerl mit der Pistole hatte Susan angewiesen, die Jacke auszuziehen und – ihm Handtasche und Schlüsselbund zu geben.
    »Ja das stimmt, sie haben dir die Schlüssel abgenommen«, bestätigte sie nach einer Weile Schweigen.
    »Die müssen mir die Schlüssel in die Tasche gesteckt haben, als sie sich davongemacht haben«, überlegte Susan. »Das ist die einzig mögliche Erklärung.«
    Melkorka nickte zögernd. Sie wusste nicht so recht, was sie noch glauben sollte.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte sie schließlich. »Ich muss nach Island telefonieren.«
    Sie nahm die kalte Brise nicht wahr, die in der Abenddämmerung von den Berggipfeln herabkam. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und überließ es Susan, einen Weg aus dem Wald zu finden.
    Später hielten sie an einer Autobahnraststätte. Melkorka trank kaltes Wasser und aß einen Schokoriegel, um wieder zu Kräften zu kommen. Dann kaufte sie sich ein Mobiltelefon und eine Prepaidkarte, setzte sich wieder in den Leihwagen und rief Kári an. Er konnte nur berichten, dass die Suche nach ihrem Sohn leider noch immer keinen Erfolg gebracht hatte.
    »Wann kommst du heim?«, fragte er.
    »Morgen, hoffentlich mit dem Privatflugzeug von Brownwater.«
    Melkorka bat Kári, sich sofort mit dem Rechtsanwalt Aðalsteinn Indriðason in Verbindung zu setzen: »Die versuchen |266| die Dokumente zu stehlen, die ich heimgeschickt habe.«
    »Wer sind ›die‹?«
    »Zwei Maskierte, die Susan und mich heute morgen entführt und mich mit einem Wahrheitsserum traktiert haben«, seufzte Melkorka.
    »Was bitte?«, fragte Kári verdattert.
    »Du, lass gut sein, bis ich zu Hause bin«, bat Melkorka. »Du musst Aðalsteinn verständigen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    »Und was soll er tun?«
    »Er soll unbedingt den Postweg eines Expresspakets überwachen lassen, das ich heute an seine Kanzlei geschickt habe.«
    »Ich werde ihn gleich anrufen. Hast du denn eine Paketnummer bekommen?«
    Melkorka hatte den gelben Paketschein völlig vergessen. Sie fand ihn zusammengefaltet in ihrem Büstenhalter und gab Kári die Nummer durch.
    Dann legte sie auf und schaute ihre Freundin nachdenklich an.
    »Weißt du, ob ich denen etwas von dieser Nummer gesagt habe?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Susan.
    »Wie weit ist es von hier noch bis zu dem Sommerhaus in Strub?«
    »Schätzungsweise zehn Minuten. Hat man deinen Sohn gefunden?«
    »Nein.«
    »Hoffen wir mal das Beste. Diese Deutsche hat nichts davon, wenn sie Darri was antut.«
    |267| Melkorka hatte sich selbst schon damit zu beruhigen versucht, indem sie sich die logische Überlegung vor Augen hielt, dass die Entführer zumindest so lange gut auf ihn aufpassen würden, bis sie die Dokumente in Händen hatten. Aber was würden sie ihrem Kind antun, wenn Melkorka ihnen das Gewünschte nicht aushändigen konnte?
    »Ist das Paket schon bei dir zu Hause angekommen?«, fragte Susan unvermittelt.
    »Wie, bei mir zu Hause?«
    »Ja, bei dir. Du hast die Dokumente doch dahin geschickt, oder nicht?«
    Melkorka starrte ihre Freundin an.
    »Habe ich das beim Verhör gesagt?«
    »Ja«, sagte Susan und sah rasch zur Seite. »Oder stimmt das nicht?«
    Melkorka

Weitere Kostenlose Bücher