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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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untersuchte den Kleinen gründlich. Außer einigen harmlosen Kratzern war glücklicherweise nichts festzustellen.
    Nach der Untersuchung trafen sie im Flur auf Guðjón.
    »Wie geht es Erna?«, fragte Melkorka.
    »Sie hat einen zweifachen Unterarmbruch davongetragen. Außerdem Verbrühungen an Nacken, Hals, Rücken und den Beinen«, erwiderte der Einsatzleiter zerknirscht. »Ihr habt ihr sehr viel zu verdanken.«
    Melkorka drückte Darri fest an sich und küsste ihn immer und immer wieder ab. Wie nie zuvor im Leben fühlte sie jetzt, dass nichts im Leben kostbarer sein konnte als ihr kleiner Junge, den sie beinahe für immer verloren hätte.
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    Guðjón bekam die übliche Mischung aus Lobhudelei und missgelaunter Kritik für seine Leitung der Fahndung zu hören. Seine Vorgesetzten äußerten sich zwar zufrieden damit, dass der Junge gesund und unverletzt gefunden worden war und die Entführer hinter Schloss und Riegel saßen. Der Polizeipräsident schob dann allerdings noch nach, dass der Hauptkommissar vorher ja wohl um seine Einwilligung für den Einsatz des Helikopters hätte nachsuchen sollen. Er hatte der öffentlichen Hand enorme Kosten beschert. Und das auch noch in Zeiten des Rotstifts und knapper Kassen.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit kam Guðjón wieder zur Abendessenszeit nach Hause. Eine Flasche Rotwein in der Hand, verfolgte er mit unbewegter Miene ein Fernsehinterview mit dem Polizeipräsidenten über den erfolgreichen Einsatz am Strokkur. Als er aber Melkorka und Kári fröhlich mit Darri spielen sah, hellte sich seine Miene auf. Das zu sehen freute ihn zutiefst. In seinem Polizeidienst gab es solche Szenen leider viel zu selten.
    Während einer seiner zahlreichen Sommerurlaube in Italien war Guðjón dem
Brunello di Montalcino
verfallen. Er hatte es genossen, mit dem Fahrrad die grünen toskanischen Hügel zu bereisen, hatte Weinberge besucht und in den alten Hotels der Dörfer rings um Siena übernachtet. |291| Am Ende eines anstrengenden Arbeitstages brauchte er in der Regel drei Gläser des tiefroten Weins, um sich vor dem Schlafengehen einigermaßen müde zu fühlen.
    Als die Abendnachrichten vorbei waren, schaltete er den Fernseher aus, setzte sich mit dem Laptop auf dem Schoß in seinen rotbraunen Sessel und sah die Mails des Tages durch. Eine davon kam von Pierre Lejeune, dem Abteilungsleiter bei Europol in Brüssel:
    Es ist kaum zu glauben, wie gründlich es Greta Richthoven bisher immer gelungen ist, ihre Spur zu verwischen. Sie hat das schon öfter getan, das heißt, sie ist unter falschem Namen gereist, welchen auch immer sie benutzt hat. Danach konnte sie sich buchstäblich vom Erdboden verschwinden lassen. Du kannst das in dem beigefügten Bericht aus unserem Archiv genauer nachlesen. Ob die Schlussfolgerungen darin richtig sind, dazu kann ich nichts sagen. Ich war selbst nie mit der Untersuchung zu ihrer Person befasst. Es erscheint mir aber sehr plausibel, dass sie finanzkräftige Leute hinter sich hat, vermutlich sogar politische Unterstützung. Hoffentlich nützt dir dieser Bericht etwas.
    Guðjón schenkte sich ein weiteres Glas ein und las den vierseitigen Bericht zwei Mal durch, um nichts zu übersehen. Als wesentliche Schlussfolgerung, die hauptsächlich auf Ergebnissen von V-Leuten aus der Neonaziszene basierte, hatten die Verfasser angegeben, dass Greta Richthoven zweifellos eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Neonazis und ihrer Vernetzung untereinander in der EU spielte. Europol hatte sie bei Reisen in Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien und Italien registriert. Dort hatte sie die Struktur der Organisationen umgestaltet und |292| ein zielstrebigeres Vorgehen eingeführt. Außerdem sorgte sie sich um die Vernetzung der Führungskader benachbarter Länder und stattete diese mit finanziellen Mitteln aus. Dabei hatte sie mehrere unterschiedliche, deutsch klingende Familiennamen verwendet, aber immer denselben Vornamen beibehalten. Für gewöhnlich tauchte sie nach drei bis vier Monaten ab, meist nach irgendeinem abscheulichen Attentat. Darunter war Brandstiftung in Asylbewerberheimen oder auch in größeren Mietshäusern mit hohem Migrantenanteil. Bei einigen dieser barbarischen Akte waren auch Frauen und Kinder ums Leben gekommen.
    Das Schlusskapitel des Berichts versuchte Licht auf Richthovens Verbindungen zu Banken und Finanzinstituten zu werfen und so ihre Spur durch Europa zu verfolgen. Das hatte sich als ein äußerst schwieriges und langwieriges

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