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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wohltuender Luft und der Geruch von
gebratenem Fleisch und frisch gebackenem Brot wiesen
ihm zusätzlich den Weg und er beschleunigte ganz automatisch seine Schritte.

Als er den letzten Treppenabsatz in Angriff nahm, kam
ihm der grauhaarige Diener entgegen. Lancelot stockte für
einen Moment im Schritt, aber der Alte prallte regelrecht
zurück und auf seinem Gesicht breitete sich für einen
Moment ein Ausdruck aus, den Lancelot mit keinem anderen Wort als Entsetzen bezeichnen konnte.
    Dann hatte er sich wieder in der Gewalt; die Furcht in
seinen Augen blieb jedoch.
»Herr!«, stammelte er. »Ihr seid … ich meine … verzeiht, ich wollte Euch gerade …«
»Schon gut.« Lancelot versuchte zu lächeln, spürte aber
selbst, dass ihm das misslang.
»Ich wollte gerade zu Euch eilen, um Euch zu holen,
Herr«, fuhr der Diener fort. »Lady Gwinneth hat mir aufgetragen … ich meine …«
»Schon gut«, sagte Lancelot noch einmal. Der Alte war
so aufgelöst, dass er ernsthaft befürchtete, er würde im
nächsten Moment vollkommen die Fassung verlieren –
auch wenn er nicht wusste warum. »Geh und richte Lady
Gwinneth aus, dass ich sie zu sprechen wünsche. Du
kennst doch den Weg zu ihrem Zimmer?« Die Frage
schien den Diener zu verwirren. Einen Moment lang wusste er sichtlich nicht, was er sagen sollte, dann fing er sich
wieder und deutete mit einer unsicher zitternden Geste
hinter sich. »Aber Mylord, Lady Gwinneth ist bereits …
ich meine … sie erwartet Euch. Das Abendmahl ist aufgetragen.«
»Abendmahl?«
Lancelot war nur über die etwas sonderbare Wortwahl
erstaunt gewesen, doch der Diener schien sein Stirnrunzeln falsch zu deuten. Er kroch regelrecht in sich zusammen und hatte plötzlich nicht mehr die Stärke, seinem
Blick standzuhalten. »Bitte vergebt mir, dass ich Euch
vorhin ein so einfaches Mahl kredenzt habe. Aber wir sind
nicht auf Besuch vorbereitet gewesen und müssen erst
neue Vorräte herbeischaffen und im Winter ist das alles
andere als einfach …«
»Schon gut«, unterbrach ihn Lancelot. »Es genügte
durchaus meinen Bedürfnissen.«
Der Alte wirkte nicht erleichtert, sondern schien auch
diese Worte eher als Vorwurf aufzufassen, aber er verzichtete auf ein weiteres Herumgestammel und nach einer letzten Sekunde des Zögerns ging Lancelot weiter und an ihm
vorbei, ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
Die Halle lag jetzt direkt unter ihm. Auch sie war von
behaglich flackerndem rotem Licht erfüllt, das von einer
Anzahl Fackeln und zahlreichen Kerzen, zum allergrößten
Teil aber von dem gewaltigen Feuer herrührte, das im
Kamin prasselte. Nach den endlosen Stunden, die er in der
Kälte und Zugigkeit seines Zimmers verbracht hatte, kam
Lancelot die Wärme im ersten Moment fast unangenehm
vor, doch er spürte auch zugleich, wie wohl sie ihm tat,
ebenso wie der Anblick, der sich ihm nun bot.
Die gewaltige Halle, die es ohne Probleme mit dem
Thronsaal von Camelot aufnehmen konnte, war nahezu
leer, und allein durch ihre Größe wirkte die lange Tafel,
die man vor dem Kamin aufgestellt hatte, deutlich kleiner
als sie in Wirklichkeit war. Außerdem kam sie ihm hoffnungslos überladen vor, doch die Platte aus sorgsam poliertem Eichenholz bog sich schier unter der Last all der
Köstlichkeiten, die darauf aufgetragen worden waren –
silberne und goldene Teller voller Bratenfleisch, Obst,
Brot und Gemüse, edelsteinbesetzte Krüge und zahllose
Becher und andere Trinkgefäße, eine Pracht, aber auch
eine Menge, als erwartete man König Artus selbst samt all
seiner Tafelritter. Umso verlorener wirkten die drei Personen, die an diesem reich gedeckten Tisch Platz genommen
hatten. Es waren Sean, sein Bruder Patrick und Gwinneth.
Die drei waren in ein augenscheinlich sehr intensives
Gespräch vertieft. Als Lancelot die Treppe herabkam, verstummten sie jedoch abrupt und wandten die Köpfe in
seine Richtung. Lancelot konnte nicht sagen, ob der Ausdruck auf den Gesichtern der beiden Iren nun nur überrascht oder betroffen wirkte, denn er schenkte ihnen nur
einen flüchtigen Blick, dann sah er zu Gwinneth hinüber,
und was er erblickte, das verschlug ihm wortwörtlich die
Sprache.
Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Nach der zurückliegenden Nacht vielleicht nichts mehr, und schon gar
nicht mehr nach dem, was Sean ihm vorhin erzählt hatte.
Aber Gwinneth war in diesem Moment nichts anderes als
eine Königin; und mit Sicherheit die schönste und stolzeste

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