Runenschild
nicht
dumm. Sie wissen, was ihnen bevorsteht, wenn die Pikten
siegen. König Artus auf dem Thron Camelot ist so manchem Baron und selbst ernanntem König ein Dorn im Auge, das ist wahr. Aber Mordred auf diesem Thron wäre ihr
Tod. Sie werden es nicht zulassen.« Er hob die Hand.
»Und jetzt genug davon. Mir ist kalt und ich bin hungrig.
Warum wecken wir nicht einen deiner viel zu zahlreichen
Diener und lassen uns ein gewaltiges Frühstück bringen?«
Er sah Gwinneth an, dass sein aufgesetzt lockerer Ton
sie eher noch trauriger stimmte. Auch das war etwas, was
sich geändert hatte: Gwinneth hatte ihre Fröhlichkeit wiedergefunden, im gleichen Maße, wie sie sich von den Anstrengungen der Flucht erholt hatte und auch ihre Schönheit und ihr strahlendes Lächeln zurückgekehrt waren.
Aber es gab doch manchmal Momente wie diese, in denen
die Furcht wieder da war, die sie zwar zurückgedrängt,
aber keineswegs besiegt hatte. So wenig wie er. Schließlich aber nickte sie abgehackt und zwang sich ebenfalls zu
einem knappen unechten Lächeln.
»Es ist sehr früh«, sagte sie. »Die meisten Diener werden
noch schlafen – aber wir können hinunter in die Küche
gehen und sehen, was die Vorratskammer hergibt.« Sie
streifte erst den Kamin, dann das Fenster mit einem flüchtigen Blick. »Außerdem ist es dort wärmer.«
Der Gedanke gefiel Lancelot. Iven und das knappe Dutzend Dienstmägde und Helfer, das er in den letzten Wochen unter seine Fittiche genommen hatte, würde der
Schlag treffen, wenn die Königin selbst hinunter in die
Küche ging, um sich ein Mahl zuzubereiten. Doch gerade
diese Vorstellung war es, die ihm eine fast kindliche, diebische Freude bereitete. Darüber hinaus hatte Gwinneth
durchaus Recht: Es war noch sehr früh, und obwohl mittlerweile an die hundert Menschen auf Tintagel lebten, war
ihre Zahl doch gering, bedachte man die gewaltige Größe
der Küstenfestung. Jeder hier musste praktisch für zwei
arbeiten, und er wäre sich schäbig vorgekommen, Iven
und seinen Helfern auch nur eine Stunde ihres wohlverdienten Schlafes zu rauben, nur weil ihm eine Stunde vor
Sonnenaufgang der Sinn nach einer heißen Suppe stand.
Er sah schweigend zu, wie Gwinneth sich ankleidete und
anschließend den Mantel wieder überstreifte, und bevor
sie die Kemenate verließen, trat auch er an die Truhe mit
ihrer Kleidung und nahm einen warmen, dick mit Schafwolle gefütterten Umhang heraus, den er sich um die
Schultern warf. Ganz gleich wie viele Feuer auch in Tintagels Kaminen brannten, es war hier drinnen immer kalt
und die Feuchtigkeit, die vom Meer heraufzog, machte es
noch schlimmer.
Sie stiegen die drei Stockwerke bis in den Keller hinab,
ohne auf einen Menschen zu treffen. In der Küche war es
dunkel und kühl, aber nicht eisig. Das Feuer im Herd erlosch niemals ganz, und da der große Raum nur eine Hand
voll winziger Fenster besaß, die sich hoch unter der Decke
befanden und zugleich als Rauchabzug dienten, hatte die
Kälte es schwer, ihren Weg durch die dicken Mauern zu
finden. Der schwache Duft nach gebratenem Fleisch und
frisch gebackenem Brot hing noch vom vergangenen
Abend in der Luft und ließ Lancelot das Wasser im Munde
zusammenlaufen. Oben in Gwinneths Kemenate hatte er
einfach nur nach einem Vorwand gesucht um das Thema
zu wechseln, aber nun spürte er, dass er tatsächlich hungrig war.
Sein Magen knurrte, während er sich im schwachen
Dämmerlicht seinen Weg zum Herd ertastete. Er benutzte
den Dolch, den er stets bei sich trug, um die Herdplatte
anzuheben und weit genug zur Seite zu schieben, damit er
darunter blicken konnte. Das Feuer war zu einem Häufchen roter Glut zusammengesunken, aber er musste nur
ein paarmal hineinblasen und ein wenig Reisig nachlegen,
um es wieder hell aufflackern zu lassen und eine Fackel
daran zu entzünden, die er anschließend in einen der zahlreichen geschmiedeten Halter an der Wand steckte.
Auf der Suche nach Essbarem drehte er sich einmal um
die eigene Achse. Obwohl sie nun schon so lange auf Tintagel weilten, war er noch niemals hier heruntergekommen
und der Anblick verblüffte ihn im ersten Moment ein wenig, denn der Raum ähnelte – abgesehen von seiner Größe
vielleicht – fast zum Verwechseln den Küchengewölben
Camelots, in denen er praktisch aufgewachsen war. Hätte
er es nicht besser gewusst, er hätte geschworen, dass er
vom gleichen Baumeister geplant und errichtet worden
wäre.
Gwinneth hantierte bereits
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