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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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davongelaufen, aber dann … dann habe
ich mich wohl im Sturm verirrt … und …«
»Und hast das Beste verpasst«, sagte Sean grimmig.
»Eure Freunde waren hier. Die Pikten.«
»Pikten?«, fragte Dulac mit geschauspielerter Überraschung, dann runzelte er die Stirn. »Wieso unsere Freunde?«
»Nun, vor nicht allzu langer Zeit haben wir über sie geredet, oder?«, gab Sean zurück. Er machte eine abwehrende Bewegung, als Dulac antworten wollte. »Gleichwie –
sie waren jedenfalls plötzlich da. Wie hingezaubert. Und
es waren eine ganze Menge.« Er deutete ein Achselzucken
an. »Wahrscheinlich ist es gut, dass du nicht dabei warst.
Sie hätten dich erschlagen.« Seine Augen wurden schmaler. »Als du da draußen durch den Sturm geirrt bist – hast
du da sonst noch irgendetwas gesehen?«
»Irgendetwas?«, wiederholte Dulac.
»Einen Fremden«, sagte Sean. »Einen Ritter auf einem
riesigen weißen Pferd.«
»Ich habe niemanden gesehen«, versicherte Dulac. »Von
welchem Ritter sprichst du?«
»Wenn ich das wüsste«, sagte Sean nachdenklich. Dann
sog er tief die Luft durch die Nase ein und schüttelte den
Kopf. »Aber gut. Später ist noch Zeit genug, darüber zu
reden. Jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich und
dann sollten wir machen, dass wir hier wegkommen. Das
ganze Gehöft wird niederbrennen und der Feuerschein
könnte trotz des Sturms unerwünschten Besuch anlocken –
im schlimmsten Fall noch eine Horde Pikten!«
»Aber wo wollt ihr denn hin«, flüsterte Dulac. Es fiel
ihm immer schwerer, dem Gespräch zu folgen, und noch
schwerer, zu antworten. Sonderbarerweise ebbte der
Schmerz in seinem Gesicht und an seinen Händen jetzt
wieder ab, das Schwindelgefühl hinter seiner Stirn nahm
dafür jedoch immer mehr zu.
»Wir«, verbesserte ihn Sean. »Ihr kommt mit uns.«
»Aber …«
»Keine Widerrede«, unterbrach ihn der Ire grob. »Der
Wirt ist tot. Nicht dass es schade um diesen Halsabschneider wäre, doch seine Angehörigen werden nicht besonders
begeistert sein, fürchte ich. Im Moment sind sie damit
beschäftigt, zu retten, was noch zu retten ist, aber sobald
sie damit fertig sind, werden sie an Rache denken.« Er
deutete ein Achselzucken an. »Willst du mit deiner Freundin hier bleiben und darauf warten, dass sie euch die
Schuld an dem Überfall und dem Brand in die Schuhe
schieben?«
»Warum? Dafür konnten wir doch nichts«, protestierte
Dulac schwach. »Wir hatten noch nie etwas mit Pikten zu
schaffen.«
Sean schwieg, aber auf eine Art, die Dulac wohl klar
machen sollte, dass er an dieser Behauptung ernsthafte
Zweifel hegte. Wahrscheinlich ließ er es nur wegen Dulacs angegriffenem Zustand dabei bewenden, denn nach
einer Weile stand er wortlos auf und brüllte nach seinem
Bruder, damit dieser endlich das verdammte Verbandszeug bringe.
Dulac wandte sich mühsam Gwinneth zu. Er wollte etwas zu ihr sagen, aber plötzlich verweigerte seine Stimme
ihm den Dienst, während die Welt um ihn herum wegzusacken schien. Er sah noch, wie Gwinneth erschrocken die
Augen aufriss und die Arme nach ihm ausstreckte, doch er
spürte schon nicht mehr, wie er zur Seite kippte und in den
Schnee fiel.
    In dieser Nacht bekam er Fieber. Dulac sank in einen tiefen, aber alles andere als ruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder hochschrak, manchmal in Schweiß gebadet
und schreiend, manchmal auch sinnlose Worte stammelnd
oder auch vor Kälte zitternd, obgleich er das Gefühl hatte,
von innen heraus zu verbrennen. Hinterher glaubte er sich
an Gesichter zu erinnern, die sich über ihn beugten, Stimmen, die besorgt auf ihn einredeten, und Hände, die über
seine Stirn und seine fiebernden Wangen fuhren um sie zu
kühlen, manchmal aber auch seine Arme festhielten, wenn
er um sich schlug.
    Aber er war nicht sicher, welche von diesen Erinnerungen Wirklichkeit und welche nichts weiter als quälende
Trugbilder waren.
    Als er schließlich endgültig erwachte, dämmerte der
Morgen und er lag auf dem Rücken auf einer dünnen Dekke, die auf dem nackten Erdboden ausgebreitet worden
war und kaum Schutz vor der Kälte bot, die bereits unbarmherzig in seinen Körper gekrochen war.
    Viele Stunden mussten vergangen sein, doch er fühlte
sich nicht erholt, sondern eher noch müder und kraftloser,
und er hatte entsetzlichen Durst. Nur ein kleines Stück
neben ihm brannte ein Feuer, dessen prasselnde Flammen
der Kälte der Nacht eigentlich Einhalt gebieten sollten,
und obgleich er ihre Hitze schon fast

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