Runenschild
noch ein wenig ausruhen, dann komme ich schon wieder
auf die Beine.«
»Ich glaube, er redet noch immer im Fieber«, murrte
Sean. Er wollte noch mehr sagen, aber Gwinneth gebot
ihm mit einer raschen Geste zu schweigen, und der hünenhafte Ire zuckte nur mit den Schultern und ließ sich zurücksinken.
»Du erinnerst dich nicht, wie?«, fragte Gwinneth
schließlich.
Auf eine ebenso absurde wie grundlose Art riefen diese
Worte ein Gefühl von Enttäuschung in Dulac wach. Er sah
Gwinneth nur verständnislos an. Was meinte sie?
»Weißt du, dass du fast gestorben wärst, du verdammter
Narr?« Plötzlich schimmerten Tränen in ihren Augen. Es
gelang ihr, sie zurückzuhalten, doch Dulac sah auch, dass
sie die Hände zu Fäusten geballt und in den Schoß gepresst hatte, damit man ihr Zittern nicht sah.
»Gestorben?«, wiederholte er verständnislos. »Aber wieso? Ich meine … ich bin doch nur …«
»… zwei Tage und Nächte bewusstlos gewesen«, fiel
ihm Gwinneth ins Wort. »Und du hattest ununterbrochen
hohes Fieber. Ein paarmal war ich sicher, dass du stirbst.«
Dulac sah sie fassungslos an. »Zwei Tage?« Aber das
war doch unmöglich!
»Und zwei Nächte«, bestätigte Sean. Nach einem kurzen
Blick in den Himmel verbesserte er sich: »Fast drei, um
genau zu sein. Deine kleine Freundin hat Recht, Dulac –
ein paarmal waren wir alle sicher, dass du es nicht mehr
schaffst.« Er runzelte die Stirn, maß ihn wieder mit diesem
sonderbaren Blick und fügte etwas leiser und in einem
Tonfall, der Dulac nicht gefiel, hinzu: »Und eigentlich
müsstest du tot sein, wenn ich es recht bedenke.«
»Wieso?«, fragte Dulac verstört. Er verstand nichts
mehr. Er sollte zwei Tage und Nächte im Fieber dagelegen
haben? Das war Unsinn. Er hätte sich doch erinnern müssen!
»Entweder hast du mehr Glück als Verstand, mein Junge«, sagte Sean, »oder du bist der zäheste Bursche, auf
den ich jemals getroffen bin. Ich habe jedenfalls niemals
einen Menschen getroffen, der solche Verbrennungen
überlebt hätte. Davon, wie schnell du dich erholt hast,
ganz zu schweigen.«
Dulac wandte sich mit einem Hilfe suchenden, ja fast
flehenden Blick an Gwinneth, aber sie sah ihn einfach nur
wortlos an, traurig, besorgt und erleichtert zugleich, doch
auch mit einem Blick, der ihm fast vorwurfsvoll vorkam,
obwohl er sich beim besten Willen keinen Grund dafür
denken konnte.
Mühsam setzte er sich auf. Er fühlte sich schwach und so
hilflos wie ein kleines Kind, und obwohl er Seans Wasserschlauch fast zur Hälfte geleert hatte, war er noch immer
furchtbar durstig. Nur das Schwindelgefühl, auf das er
instinktiv wartete, blieb aus. Wenn Sean und Gwinneth die
Wahrheit sagten – und warum sollten sie in belügen? –,
dann hatte er jedes Recht, erschöpft und durstig zu sein,
aber er spürte nichts, was auf die schweren Verbrennungen schließen ließ, von denen Sean gesprochen hatte.
»Was ist passiert?«, murmelte er.
Gwinneth schwieg noch immer, doch Sean sagte: »Wenn
du das nächste Mal in einen Spiegel blickst oder dein hübsches Gesicht auf einer Wasseroberfläche betrachtest,
mein Junge, dann wirst du wahrscheinlich der Meinung
sein, gar nichts. Aber noch in der vergangenen Nacht hast
du ausgesehen wie ein Laib Brot, den jemand eine Woche
zu spät aus dem Ofen geholt hat, und ich hätte keinen roten Heller mehr für dein Leben gegeben.« Er schüttelte
den Kopf. »Du warst vollkommen verbrannt.«
»Wie bitte?«, entfuhr es Dulac erschrocken. Ganz automatisch hob er die Hände und betastete sein Gesicht. Es
fühlte sich nicht gut an. Seine Haut war trocken und ausgedörrt vom Fieber und er konnte spüren, dass auch er
weiter an Gewicht verloren hatte, aber da war keine Verletzung und schon gar nicht der grindige Schorf, den er bei
Brandwunden erwartet hätte.
»Würde ich an Zauberei glauben, dann wärst du jetzt der
Beweis dafür.« Sean lächelte, doch die Art, wie er die
Worte aussprach, gefiel Dulac nicht. Dennoch fuhr er nach
einer kurzen, wenn auch bedeutungsschweren Pause und
mit einem Achselzucken fort: »Zum Glück glaube ich
nicht an Zauberei. Deine kleine Freundin hier hat Kräuter
gesammelt und eine Salbe zusammengebraut.« Er lachte
leise und völlig ohne Humor.
»Wenn es stimmt, dass alles, was schlecht schmeckt und
schlecht riecht, gut für die Gesundheit ist, dann muss sie
unglaublich gut gewesen sein. Vielleicht hast du aber auch
einfach nur gutes Heilfleisch.«
»So schlimm war es
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