Runenschwert
wertvoll genug«, sagte Radoslaw, indem er sich durch die Reihen der Drenge nach vorn schob. » Er ist nur ein Junge, das habe ich euch doch gesagt. Gut genug, um ihn hierher mitzunehmen, aber nicht bedeutend genug, um dafür einen Königsschatz preiszugeben.«
Radoslaw. Ohne Fesseln, breit grinsend wie eine in die Enge getriebene Ratte. Jetzt war alles klar wie Regenwasser. Finn knurrte, ein böses Knurren, bei dem sich mir die Nackenhaare aufrichteten.
Radoslaw grinste nur, als er mein enttäuschtes Gesicht sah, und breitete die Arme aus; als er sprach, klang seine Stimme sehr vernünftig. » Ich habe wirklich alles versucht. Ich habe dir ein Schiff geschenkt, meine Zeit, meine Geduld, und trotzdem hast du auf dieser albernen Geschichte bestanden, dass du das dämliche Schwert brauchst, um den Silberschatz wiederzufinden. Orm, mein Junge, wärst du losgezogen, wäre ich dein Mann gewesen, aber mir scheint, du hast zu große Angst. Ich habe keine. Ich werde gehen, sobald du uns sagst, wohin wir uns wenden müssen. Jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir dich zum Sprechen bringen …«
Mir fehlten die Worte, dieser niederträchtige Verrat machte mich sprachlos. Im Geiste sah ich, wie er in der Gasse den Dolch aus dem Hals des Dänen zog, wie er sich vor den Geschossen auf der Treppe unter dem Amphitheater duckte. Und jetzt das?
Doch Finn sprach für uns alle. » Du wirst hinkriechen müssen, du Neiding«, spie er aus. » Denn ich werde dir vorher die Beine ausreißen und dir mit den feuchten Enden die Tätowierung auf der Stirn wegwischen, du elender Schweinefurz.«
Ich befand mich noch immer in der Gasse in Miklagard und hörte Radoslaw, wie er ganz ruhig sagte: » Ich hörte, wie er dich Schweinefurz nannte.« Wie konnte ich mich so in ihm täuschen? Hatten diese Seidr-Hexen ihn ganz auf ihre Seite gezogen?
Natürlich hatte ich mich nicht geirrt, nur war ich blind gewesen. Das Silberfieber hatte ihn von Anfang an gepackt, und das war Thorhalla und Svala nicht entgangen. Jetzt sah man es deutlich in seinen Augen, man hörte es in seiner Stimme, als er Finn von oben bis unten ansah. Er schenkte ihm ein geradezu strahlendes Lächeln.
» Hm … vielleicht du, Rosskopf?«, sagte er, dann schüttelte er den Kopf und lachte. » Ich glaube nicht. Vielleicht wäre Orm uns sogar dankbar, wenn wir ihn von deinem Schandmaul befreien.«
Er musterte uns weiter und grinste. » Er«, sagte er und zeigte auf Botolf. » Schließlich hat es uns große Mühe gekostet, ihn zu bekommen. Wenn ihm der Tod droht, wird Orm reden.«
Skarpheddin gab ein Zeichen und einige seiner Männer traten vor, was mit bösem Knurren aufgenommen wurde. Sie blieben stehen und beide Seiten wirkten angespannt wie zwei Meuten rivalisierender Kampfhunde. Sie waren bewaffnet und unsere Waffen lagen am Boden, aber ich wusste, Finn und die anderen würden lieber kämpfen, als mit anzusehen, wie man Botolf griff. Und Botolf war derselben Ansicht.
» Heya«, brummte er aufgeräumt und tat einen Schritt vor. Er zwinkerte mir zu und trat vor Skarpheddins Männer, dann senkte er demütig den Kopf – und kniete nieder.
» Also wirklich«, sagte Skarphedding voll Bewunderung, » ein Mann, der den Tod verachtet.« Fast unhörbar glitt sein Schwert aus der Scheide.
» Ganz recht«, erklärte Botolf und zwinkerte mir verstohlen zu. Was spielte er da? Ich zitterte so stark, dass mein Kettenhemd klimperte.
» Ich denke aber«, sagte der Riesenkerl mit ruhiger Stimme, » dass du mir selbst den Kopf abschlagen musst, nur um es Orm zu beweisen, der ziemlich dickköpfig und dazu ein großer Denker ist.«
» Hast du es so eilig, zu sterben?«, schnauzte Radoslaw ihn an, der vollkommen verwirrt war. Und er war nicht der Einzige – ich war umgeben von grimmigen und ratlosen Gesichtern. Finn kratzte sich völlig verzweifelt am Kopf und der Schweiß lief ihm nur so herunter.
Botolf zuckte die breiten Schultern. » Du hast mich ausgesucht, Radoslaw. Ich zeige dir nur, wie es geht.«
Skarpheddin strich seinen Gabelbart, dann zuckte er mit den Schultern und hob das Schwert. » So sei es«, sagte er.
Ich wollte aufschreien, aber Botolf zwinkerte mir ein drittes Mal zu und hob die Hand.
» Warte, warte«, sagte er und wandte sich grinsend an Radoslaw. » Wenn dies mein Wyrd ist – und es sieht ja aus, als ob es das tatsächlich ist –, dann erlaubt mir, im Tod so schön zu sein wie im Leben. Ich möchte nicht gern zusammen mit meinem Kopf auch mein Haar
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