Runenschwert

verlieren.«
    Radoslaw schien überrascht, dann lachte er ein hässliches Lachen, denn er wusste – wie wir alle –, wie wichtig dem eitlen Botolf sein langes rotes Haar war, das er zu zwei dicken Zöpfen geflochten trug.
    » Tu mir den Gefallen«, sagte Botolf an Radoslaw gewandt, » halt sie hoch, damit sie nicht durchtrennt werden.«
    Mit dem Rücken zu uns, stand Radoslaw vor Botolf, ergriff mit jeder Hand eine Flechte und zog sie nach vorn, sodass der kräftige Hals bloß lag. Ich schwitzte. Dachte Botolf wirklich, er sei der Eisriese Ymir? Dass eine Eisenklinge von seinem muskulösen Körper abprallen konnte wie bei einem Berserker?
    Das erhobene Schwert blitzte auf, ein rotgoldener Bogen im Schein der Fackeln.
    » Halt!«, schrie ich, doch dann zischte es mit voller Wucht herab. Botolf brüllte wie ein Stier und sein großer, muskulöser Körper fuhr zurück. Radoslaw wurde mitgezogen, die Hände ausgestreckt, und dann schrie er vor Entsetzen, als Skarpheddins Klinge ihn erfasste. Die eine Hand war am Handgelenk ganz abgeschlagen, die andere hatte alle Finger verloren.
    Schreiend wandte er sich ab, während Botolf aufstand wie Ymir selbst. Radoslaws linke Hand hielt noch immer den Zopf fest, an dem sie zu einem grausigen Haarschmuck geworden war, als er den Kopf jetzt herumschwang und den Fettwanst Skarpheddin gegen Thorhalla stieß, die ihrerseits gegen Svala und den Hirtenjungen flog.
    Etwas Schwarzes krächzte: » Odin«, und schwirrte durch den Raum; Männer suchten nach ihren Waffen und Bruder Johannes brüllte: » Fram! Fram! Brand! Ljot!«
    Ich schnappte meine Klinge auf und hechtete zu Svala, um den Hirtenjungen zu befreien. Botolf verschwand brüllend und die Fäuste schwingend zwischen Skarpheddins Männern, und der kleine Eldgrim und Kvasir folgten ihm auf den Fersen. Finn warf sich knurrend auf Thorhalla, die kreischte und herumtanzte, dass ihr Umhang aus Katzenfell nur so flog, wobei sie rief: » Stumpf! Stumpf!«
    Es war bekannt, dass eine Seidr-Hexe mit solch einem Zauberspruch eine Waffe stumpf machen konnte, aber Finn schwang seine Klinge trotzdem und fluchte nur, wenn sein Godi von ihrem dicken Pelzumhang abprallte. Thorhalla gackerte triumphierend, aber Finn zog blitzschnell seinen römischen Nagel aus seinem Stiefel und rammte ihn zwischen ihre Augen. Hinterher sagte er, es habe sich angefühlt, als steche man mit einem Messer in ein altes Vogelnest.
    Vor mir erschien eine Gestalt in einer Rüstung, das Schwert blitzte, und ich duckte mich, gleichzeitig holte ich aus und versetzte ihm einen Hieb gegen die Schienbeine. Es knackte wie bei Zweigen, und er ging mit lautem Geheul zu Boden, sodass ich an ihm vorbeikam und Sighvat zu Hilfe eilen konnte, der den Hirtenjungen aus den Händen der schreienden Svala befreit hatte.
    Svala war zusammengesunken und ihr Gesicht war eine blutige Fratze. Ein kleines Häufchen nasser Federn lag zu ihren Füßen: Sighvats Rabe hatte ihr das Gesicht zerkratzt und die Augen ausgehackt, ehe sie ihn in blutige Fetzen zerrissen hatte, wozu sie den Hirtenjungen loslassen musste.
    Ich nahm den Jungen in den Arm; er klammerte sich an mir fest und sah mich an, doch seine Augen waren trocken. » Ich hatte keine Angst, Händler«, flüsterte er, und seine zitternde Stimme war erstickt von Tränen. » Ich hatte dein Amulett in der Hand und habe mich nicht gefürchtet.«
    Ich zog ihn zur Seite und hockte mich mit ihm am Sockel der großen Statue hin, während das steinerne Gewölbe vor grunzenden, keuchenden, heulenden, kämpfenden Männern nur so widerhallte.
    Die Schatten tanzten im flackernden Licht der Fackeln, aber Sighvat war niedergekniet, als sei er ganz allein im Raum. Vorsichtig nahm er den Körper des Raben, sammelte jeden blutigen Fetzen und alle Federn auf und barg sie in seinen großen Händen, während Svala dalag, sich wiegend und stöhnend, und das Blut zwischen ihren Fingern hindurchtropfte.
    Der Rabe. Hatte er » Odin« gesagt, weil Sighvat ihm das Sprechen beigebracht hatte, wie Kvasir verächtlich behauptet hatte, als wir es zum ersten Mal gehört hatten? Hatte er ihm auch beigebracht zu töten, oder war das die Tat des Einäugigen gewesen? Doch an diesem Ort gab es so viel bösen Zauber, dass es einem eine Gänsehaut machte; da war Sighvats Rabe die geringste Sorge.
    Der Kampf dauerte nicht lange. Die letzten von Skarpheddins Drenge warfen ihre Waffen fort, als Brand hereinkam, herrlich in seiner Rüstung und kalt wie Schnee. Skarpheddin selbst, den