Runenschwert
Botolf zu Boden geworfen hatte, konnte weder aufstehen noch sprechen, denn seine Rippen und sein Kiefer waren gebrochen.
Botolf saß keuchend da, er blickte finster um sich und das Blut rann ihm aus einem Dutzend Wunden, aber als alles sich beruhigt hatte, stellten wir fest, dass niemand ernstlich verletzt war, außer den üblichen Blutergüssen und Schnittwunden. Wir alle umringten ihn und wollten wissen, ob er etwas abbekommen habe, und Botolf seufzte und hielt lediglich eine Hand hoch, die noch immer seinen abgeschlagenen Zopf umklammerte.
» Jetzt muss ich alles kurz schneiden lassen«, maulte er.
Wir lachten vor Erleichterung, dass es in dem Raum widerhallte, und der Hirtenjunge tanzte und kreischte vor Freude.
Doch das Wimmern und Stöhnen um uns ernüchterte uns schnell.
» Helft mir, im Namen aller Götter«, stöhnte Radoslaw, den Armstumpf unter die eine Achsel geklemmt, wo er sein Hemd mit Blut durchtränkte. Die andere fingerlose Hand hatte er zwischen den Oberschenkeln, im vergeblichen Bemühen, die Blutung zu stoppen. Er flehte Finn an, die Wunden abzubinden und ihn zu retten.
Ich dachte wieder daran, dass er womöglich gegen den Zauber der Frauen nicht immun gewesen war, und dass die Gedanken in seinem Kopf vielleicht nicht seine eigenen waren. Er tat mir leid.
» Du brauchst einen griechischen Chirurgen«, sagte Bruder Johannes und Radoslaw wimmerte zustimmend.
» Du brauchst einen Godi«, verbesserte Finn leise knurrend und hob sein gleichnamiges Schwert.
Radoslaw schrie nur einmal, als die Klinge – die jetzt nicht stumpf war – seine Kehle durchschnitt, dann gurgelte er nur noch, bis er bei seinen Slavengöttern war.
Mit einem bösen Grinsen beugte Finn sich vor und riss Radoslaw den Rubinohrring ab, dann suchte er nach weiterer Beute. Radoslaw war einst unser Rudergefährte und Schwertbruder gewesen; jetzt war er etwas, das man plünderte. Ich dachte daran, dass er es immer vermieden hatte, unseren Schwur zu leisten, ein weiteres Zeichen, auf das ich nicht geachtet hatte. Doch jetzt dankte ich ihm dafür, denn durch seinen Verrat und unehrenhaften Tod war wenigstens unser Schwur nicht gebrochen worden.
» Er dachte, du lügst, was das Runenschwert anbetrifft«, sagte Bruder Johannes leise und blickte auf das, was einst Radoslaw gewesen war. » Libenter homines et id quod volunt credunt.«
Die Menschen glauben gern, was sie glauben wollen. Es war nicht gerade viel, um das Leben eines Menschen zusammenzufassen, der mich einst vor dem Tod gerettet hatte.
Jarl Brand, dessen Haar und Augen im roten Fackelschein unwirklich leuchteten, trat zu dem stöhnenden Skarpheddin und seiner Mutter, die schon tot war. Sein Schwert war eines großen Jarls würdig, denn er brauchte nur zwei Hiebe, und beider Köpfe waren abgeschlagen. Dann wandte er sich an Svala.
» Nehmt sie und fesselt sie. Hüllt diese beiden ein«, sagte er zu Ljot, » und legt die Köpfe auf ihre Oberschenkel.«
Das war natürlich die korrekte Art und Weise, um Zauber und etwaige Rache abzuwenden, denn wenn sie nicht sehen können, dann können sie auch nicht als Untote weiteres Unheil anrichten. Svala sollte nicht getötet werden, kein vernünftiger Mensch tötete eine Hexe, und es war auch nicht gut, dass Finn Thorhalla getötet hatte, aber ich vertraute auf Odin, dass er ihn beschützen würde. Ich sah zu, wie Brands Leute Svala unter die Arme griffen und die alte Treppe hinaufzerrten, ihre Kalbfellschuhe schleiften über die Stufen und hinterließen eine Blutspur.
Brand wandte sich an mich und lächelte. » Gute Arbeit«, sagte er. » Ich werde mein Wort halten. Komm zu mir, wenn es Tag geworden ist, und deine Männer sollen gut ausgerüstet werden.«
Wir verließen das alte Grabmal, das nach frischem Blut stank und von neuen Gespenstern heimgesucht wurde. Wir beeilten uns, die Schlucht hinter uns zu lassen und wieder zurück zum Fluss zu kommen. Dort hielten wir erst einmal an. Wir wuschen uns mit sauberem Wasser und machten Botolf scherzhafte Vorwürfe, was für eine Sage er da gemacht habe, während er selbst nur an sein abgeschnittenes Haar denken konnte.
Es wurde sogar eine richtige Sage daraus, denn Skarpheddins Skalde Harek – der bei uns blieb – nahm das Gerippe dieser Ereignisse, versah es mit Fleisch und Blut und machte ein Gedicht daraus. Als ich es allerdings Jahre später hörte, gehörte es zu einer ganz anderen Geschichte, nämlich über die Jomswikinger aus Wolin, und war von Anfang bis Ende
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