Runenschwert
und sah zu, während der herrliche Morgen heraufzog, voll vom Singen und Summen der verschiedensten Lebewesen. Nura sah mich und ihre Augen lächelten – mehr konnte ich von ihr nicht sehen. Sie war von den Füßen mit den Silberringen bis zu ihrem geflochtenen Haar in ein einziges blaues Tuch gewickelt, das mehlafa genannt wurde, doch im Gegensatz zu den meisten Frauen der Sarazenen hatte sie nichts dagegen, dass man ihr Gesicht sah.
Sie goss die Milch in einen Tontopf, und von dort goss Rauda, Aliabus andere Frau, sie vorsichtig in einen Schlauch aus Ziegenfell. Auch wenn nur ihre Augen zu sehen waren, schien diese Rauda eine wunderschöne Frau zu sein, denn ihr voller Name, wie Aliabu mir stolz erzählte, bedeutete » der See, der sich nach dem Regen bildet«.
Es war kein See, aus dem andere tranken, auch seine eigenen Brüder nicht. Keiner von ihnen hatte Frauen, aber Aliabu hatte zwei, und das schien seinen Brüdern weder etwas auszumachen, noch verlangten sie ihren Anteil an ihnen. Das taten wir natürlich auch nicht, obwohl einige sicher daran dachten.
Doch Aliabu hatte ein langes, gebogenes und außerordentlich scharfes Messer in seinen Gewändern und keinen Zweifel daran gelassen, dass jeder afrangi es zu spüren bekommen würde, der sich an seinem Besitz vergreife. Da wir auf seine Landeskenntnisse und sein Wohlwollen angewiesen waren, schärfte ich den Eingeschworenen ein, sich zusammenzureißen.
Aliabu hatte mir seinen vollen Namen und die Namen seiner Brüder genannt, aber mehr als den ersten konnte ich mir nicht merken. Immerhin lernte ich, dass » Abu« Vater bedeutete, ein Beiname, den man in Serkland bekam, wenn man Söhne hatte.
Der kleine Eldgrim lehnte sich seufzend zurück, er wartete auf Finns Haferbrei, hörte auf die Ziegenglöckchen und trank genüsslich das Wasser, das er ausgegraben hatte. Aliabu hatte uns beigebracht, dass man am Abend die Wasserschläuche vergrub: Nach einer Nacht in der kühlen Erde waren sie am nächsten Morgen kalt wie ein Fjord im Winter. Der Morgen war für uns ohnehin die beste Zeit des Tages. An einem anderen Ort wären wir schon längst ein paar Stunden unterwegs gewesen, ehe wir unsere erste Tagesmahlzeit einnahmen, aber hier zogen wir es vor, in den kühleren Abendstunden und nachts zu marschieren, also lagen wir fast den ganzen Tag im Schatten der überhängenden Felsen.
» Diese Ziegenglocken klingen hübsch«, sagte der kleine Eldgrim nachdenklich und schüttelte den Kopf. » Aber ich wünschte, sie würden auf einer Weide am Fuß von Bergen klingeln, von Bergen mit Schnee.«
» Ja, mit einem eisigen Wind und mit einem verdammten Schneetreiben, und wenn die Schafe einsacken, darfst du sie ausgraben«, knurrte Kvasir, dessen Schritte über die Steine knirschten. Dann setzte er sich neben ihn. Mit dankbarem Brummen nahm er die hölzerne Schale von Finn entgegen und fischte seinen Hornlöffel aus den Tiefen seiner Tunika. Er aß und wedelte die Fliegen weg, einige spuckte er aus, aber die meisten aß er mit.
Wenn er gehofft hatte, den kleinen Eldgrim auf diese Weise wachzurütteln, so war ihm dies misslungen. Eldgrim nickte nur traurig, sein Heimweh war durch Finns Bemerkung nur noch schlimmer geworden.
» Mach dir nichts draus«, sagte Finn und gab ihm den Haferbrei, so lange er noch zu heiß für die Fliegen war. » Eines Tages wirst du wieder daheim im Schnee sein, und der Wind wird dir um den Arsch pfeifen, dass du dich nach den Tagen zurücksehnst, wo du dich in der Hitze von Serkland räkeln konntest.«
Eines Tages. Vierzig waren von uns noch übrig, und vier davon waren seit unserer Abreise krank. Ich fluchte über mich und alle Götter, dass wir zu Brands Festessen geblieben waren – aber wir hatten keine Wahl gehabt. Bruder Johannes hatte uns mit ernstem Gesicht gewarnt, am Tage, nachdem wir Skarpheddin und seine Mutter getötet hatten. Und zu Recht.
» Unten am Fluss wickeln sie Leichen mit rotem Ausschlag ein«, hatte er mir erzählt, und das genügte. Ich hatte das alles schon einmal gesehen, bei der Belagerung von Sarkel. Und richtig, am nächsten Tag fingen vier unserer Männer an zu frösteln, und gleichzeitig lief ihnen der Schweiß herunter.
Am Tag danach war das Festmahl, und am nächsten Tag reisten wir ab, aber da waren drei schon gestorben und kamen in das große Massengrab, das Brand ausheben ließ, um mit den vielen Toten fertigzuwerden. Den vierten ließen wir bei den griechischen Ärzten in Antiochien, dann machten wir uns
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