Runenschwert
eilig auf in die Wüstenhitze, während Gisur und die Mannschaft der Elk ihr Heil im Seewind suchten. Ich betete zu Odin und hoffte, dass unsere Pläne richtig waren – nämlich erst unsere Rudergefährten zu befreien und dann Starkad zur Strecke zu bringen.
Jetzt lagen wir da und dachten an grüne Berge und schieferblaue Meere mit weißen Schaumkronen und an Schnee, der um die hohen Berge wehte wie Sleipnirs Mähne. Es ging besser mit geschlossenen Augen, denn dann sah man dieses merkwürdige Land nicht, auch nicht dieses endlose Felsband, in dem wir lagen, dessen Wände wie orangerote Feuerzungen zum blassblauen Himmel aufragten.
Hier gab es keine Schafe, nur kleine schuppige Eidechsen, die kurz auftauchten und dann wieder in den Felsspalten verschwanden, in denen auch Vögel brüteten. Es war eine Welt aus Braun und Hellgrün, aus bizarren, pilzförmigen Felsen und wirbelndem Sand in allen Farben der Bifröst-Himmelsbrücke. Ich vermutete, dass Aliabu und seine Landsleute genauso viele Namen für Sand hatten wie das Volk der Samen für Schnee.
Ich lag da und dachte auch an sie, den ganzen Tag, bis ich an der Reihe war, Wache zu halten, und selbst dann noch. Ich dachte an ihr Lachen, dachte an den Tag, an dem wir zusammen mit Radoslaw in Antiochien am Orontes gewesen waren, ein Tag so vollkommen und köstlich wie eine Rumman-Frucht – in deren Innerem jedoch schon die Fäulnis eingesetzt hatte, sodass Liebe und Freundschaft nur Illusionen waren. Ein solcher Verrat hätte mir eigentlich gereicht, Odin. Doch zwei waren etwas viel.
Finn und Bruder Johannes kamen zu mir, als Aliabu und die anderen die blökenden Kamele beluden, um den Tagesmarsch anzutreten. Sie hatten ernste Gesichter, und ich sah sie erwartungsvoll an.
» Drei Männer haben einen Hitzschlag«, sagte Bruder Johannes. » Sie werden sich wieder erholen, wenn sie Wasser bekommen und einen Tag im Schatten bleiben können.«
» Eine gute Nachricht«, erwiderte ich.
» Es gibt noch einen Kranken, aber es sind nicht die Roten Pocken«, sagte Bruder Johannes. » Er hat die Scheißerei oder die Zitterkrankheit, oder beides. Er wird bestimmt sterben, denn er kotzt schon Blut. Dabit deus his quoque finem.
In der Tat, Gott würde für ein Ende dieser Leiden sorgen. Ich erinnerte mich an die Zitterkrankheit in Sarkel. Alte Rudergefährten hatten sie gehabt. Bersi bekam sie und war am nächsten Tag tot, und Skarti, dessen narbigem Gesicht man ansah, dass er die Roten Pocken überlebt hatte, wäre wahrscheinlich auch daran gestorben, wenn ihn nicht vorher ein Pfeil erwischt hätte. Die Scheißerei war nicht ganz so schlimm, denn davon konnte man sich, wenn man Glück hatte, nach ein paar quälenden Tagen erholen, aber wenn Blut kam, war man erledigt.
» Er braucht einen Godi«, sagte Finn und sah mich an. Ich erinnerte mich an diesen Blick. Als wir an Ofeigs Leiche standen, hatte er gesagt: » Das nächste Mal machst du es, Bärentöter.«
Ich streckte die Hand aus, und er gab mir das Schwert.
Es war Svarvar, der Münzer aus Jorvik. Sie hatten ihm aus Gestrüpp und seinem Umhang ein Lager gemacht, und man konnte förmlich zusehen, wie er immer weniger wurde, während er zitterte und die Augen verdrehte. Der Gestank, der ihn umgab, nahm einem den Atem.
Ich sprach ihn an, aber er reagierte nicht; er lag da und faselte wirres Zeug mit klappernden Zähnen, zitternd und schwitzend. Bruder Johannes kniete sich hin und betete; Finn drückte Svarvar einen Sax in die Hände, und ich musste schlucken. Der Godi fühlte sich eiskalt an, als ich ihn an Svarvars Hals legte.
» Wenn du über die Regenbogenbrücke kommst«, sagte ich zu ihm, » erzähle den anderen von uns. Richte ihnen aus: ›Noch nicht, aber bald.‹ Gute Reise, Svarvar.«
Es war kein großer Druck nötig, denn Finn hatte den ganzen Tag voher gründlich die Klinge geschärft. Es war, als schneide man in eine Frucht, und Svarvar zuckte auch nicht lange, während das Blut sofort ganze Schwärme gieriger Fliegen anlockte.
» Heya«, sagte Finn beifällig, und ich stand auf, wischte die Klinge ab und gab sie ihm stumm zurück.
Dann suchten Sighvat, Bruder Johannes und ein paar andere Steine und Felsbrocken zusammen und häuften sie über das flache Grab, in dem wir den Münzer aus Jorvik in dieser Steinwüste beisetzten. Fünf Jahre lang hatte er Steine geklopft, nur um schließlich unter einem ganzen Berg davon begraben zu werden. Odins Scherze waren nie besonders lustig, aber manchmal musste man
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