Runenschwert
äußerster Anspannung dagestanden hatte, trat einen Schritt zurück. Es kostete ihn große Mühe, sich von der Kraft des Runenschwerts zu lösen. Ich atmete auf. Grinsend wartete Starkad, bis Finn sich gesetzt hatte, dann steckte er die Waffe in die Scheide, und in den Schankraum kehrte das Leben zurück.
» Du siehst aus wie ein Jarl«, sagte ich zu Starkad, der noch immer grinste. Meine Brust war wie zusammengeschnürt beim Gedanken daran, was eben hätte passieren können. » Aber vor dem Jarlring solltest du dich hüten.«
» Man braucht sich nur davor zu hüten, solange man selbst keinen hat«, sagte Starkad verächtlich. » Ringsilber ist schließlich das Zeichen eines Mannes, der anderen Geschenke macht und ihr Anführer ist.«
Darauf sagte ich nichts, denn Gunnar Raudi – mein richtiger Vater – hatte mir eingeschärft, dass man einen Feind, wenn er einen Irrtum begeht, besser nicht belehrt. Ich wusste ja, was es mit dem Jarlring auf sich hatte, den Starkad so stolz trug. Es war lediglich ein silberner Halsring, der auch Ringgeld genannt wird und dessen Drachenköpfe sich auf der Brust kreuzen.
In Wahrheit nämlich ist der echte Jarlring aus Stahl und wird nur von Männern getragen, die für andere gekämpft haben. Man trug ihn wie eine Runenschlange um den Hals, es war ein Zeichen wahrer Größe und gleichzeitig eine Last, die einen in die Knie zwingen konnte und die man zu Lebzeiten nicht mehr ablegte.
Das wusste ich von Einar, der mich davor gewarnt hatte, als er, auf Attilas Thron sitzend, durch meine Hand gestorben war. Jetzt fühlte ich selbst sein Gewicht – selbst wenn ich mir keinen echten Jarlring leisten konnte, was Starkad bemerkt hatte.
» Ich suche diesen Priester, einen gewissen Martin aus Hammaburg«, fuhr Starkad fort. » Ich vermute, du weißt, wo er ist.«
Ich schwieg. Ich wusste genau, was Starkad suchte. Keinen Silberschatz, sondern die Reste einer Christuslanze, die man in die Seite des weißen Christus gestoßen hatte, als er am Kreuz hing. Aus seiner eisernen Spitze hatte man den Säbel geschmiedet, den Starkad jetzt trug. Doch das wusste er nicht, und das war mir ein kleiner Trost.
Jetzt, wo Harald Blauzahn selbst ein Christus-Anhänger geworden war, wollte er unbedingt diese Lanze haben, um den Christenglauben in seinem Land weiter zu stärken – auch wenn der Basileus der Römer behauptete, eine solche Lanze gebe es bereits in der Großen Stadt. Genau wie ich war Blauzahn überzeugt, dass Martin die echte hatte.
» Er ist geflohen«, fügte Starkad hinzu, als ich immer noch nichts sagte. » Der Mönch ist geflohen. Und ich vermute, er ist hier bei euch, denn ihr seid die Einzigen, die er kennt.«
Diese Vermutung war nicht unlogisch, denn Martin war lange genug bei uns gewesen, doch Starkad wusste nicht, dass unser Verhältnis zu ihm kein freundschaftliches war. Gerade wollte ich ihm das sagen, als mir einfiel, dass wir auf keinen Fall versuchen durften, es hier mit ihm aufzunehmen. Bestimmt waren die Wachen schon alarmiert, und er wusste genau, wie viel Zeit er noch hatte.
Miklagard war ein sicheres Pflaster für Starkad. Man musste versuchen, ihn aus der Stadt herauszulocken.
» Er ist nach Osten gegangen«, sagte ich. » Er wollte nach Serkland und Jorsalir, seiner heiligen Stadt, die er Jerusalem nennt.«
Ich habe meine eigenen Ansichten darüber, woher ich in diesem Moment meine Eingebung hatte, diese Lüge, die ich so gelassen und mit Überzeugung aussprechen konnte. Doch wie alle Geschenke Odins war auch sie zweischneidig.
Er schien erstaunt darüber, wie bereitwillig ich es ihm verraten hatte, und er schien die Information abzuwägen wie eine unbekannte Münze, die man auf den Tisch wirft, um ihren Klang auf Echtheit zu prüfen. Ich spürte, wie die Eingeschworenen unruhig wurden, weil sie ahnten, dass es eine Finte war. Ich konnte nur hoffen, dass Starkad ihre skeptischen Gesichter nicht bemerkte.
Schließlich hatte er auf die Münze gebissen und sie für echt befunden. » Dann lass uns unsere Fehde beenden«, sagte er. » Einar ist tot, und ich will keine Feindschaft mehr mit den Eingeschworenen.«
» Gib mir erst das Schwert zurück, dann werde ich darüber nachdenken«, erwiderte ich. » Ich hatte dich früher für einen Wolf gehalten, Starkad, aber jetzt merke ich, dass du nichts weiter bist als ein Straßenköter.«
Er hatte den Anstand, rot zu werden. » Ich nahm mir das Schwert mit demselben Recht, mit dem ihr euch mein Langschiff genommen habt
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