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Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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Kirche gingen. Der Fackelschein erleuchtete die farbigen Bodenfliesen; sie waren zusammengesetzt zu einem Bild von einem Mann in weißer Robe und mit Flügeln, der ein Schwert in der Hand hatte und einen dieser goldenen Scheiben um den Kopf; und ich staunte darüber, dass man sich diese Arbeit mit einem Fußboden machte.
    Bruder Johannes lag auf einem steinernen Tisch. Er war in Streifen aus Leinen gehüllt wie ein großes Wickelkind; am Kopfende und zu seinen Füßen brannten Kerzen. Abt Dudo intonierte die Worte der christlichen Totenzeremonie. Zum Schluss, als er das Kreuzzeichen schlug und » pax vobiscum« sagte, hörte ich ein Schluchzen. Es war der Ziegenjunge, der sich mit dem feuchten Ärmel die Tränen abwischte.
    » Jetzt ist er im Himmel«, sagte er. Das hoffte ich auch, aber es war das » pax vobiscum« gewesen, das mir die Fassung raubte. Erst der Gedanke, dass ich Bruder Johannes nie wieder würde Latein sprechen hören, machte mir die Endgültigkeit seines Todes so richtig klar. Botolf legte dem Jungen eine seiner Pranken auf den Kopf und tätschelte ihn sanft.
    Mit dieser Trauer und dem Gewicht der Runenschlangen – sowohl die auf meinem Jarlring als auch die auf dem verfluchten Säbel – die eng und doppelt schwer an meinem Hals hingen, brachte ich von dem Fleisch des Maulesels kaum etwas herunter, und ich war überrascht, dass die anderen genauso wenig Appetit zu haben schienen; der Tod von Bruder Johannes hatte uns alle schwerer getroffen, als wir erwartet hatten.
    Schließlich gaben wir die Bretter mit dem Fleisch an die Mönche weiter, und trotz ihrer gerümpften Nasen über unsere » heidnischen Bräuche« lief ihnen das Wasser im Munde zusammen, und sie waren nach ihrem ewigen gekochten Gemüse nur zu froh über das Fleisch. Sie mussten erst noch lange darüber beraten, ob ein Maultier ein Pferd war oder nicht. Der Bratenduft ließ sie dagegen stimmen, sodass sie sich endlich hungrig darüber hermachen konnten.
    Kvasir jedoch behielt den Kopf des Tieres und hockte die ganze Nacht mit dem kleinen Eldgrim zusammen, der sich auf Runen verstand und im Schein des Feuers lange Schlangenlinien davon in einen Speerschaft schnitzte, von einem Ende zum anderen. Ich beobachtete sie mit gemischten Gefühlen, bis mir endlich die Augen zufielen.
    In einem dunklen Land, durch das ein Fluss lief, der schwärzer als altes Eisen war, sah ich den Staub wie einen dschinn aus Rabenfedern aufwirbeln, aber man hörte keinen Laut. Ich stand am Fluss, der lautlos an mir vorbeiglitt, und auf der anderen Seite erschienen dunkle Gestalten mit blassen Gesichtern: alle die Toten, die ich je gekannt hatte.
    Da waren Eyvind und Einar und Skapti Halbtroll, aus dessen Mund noch immer der Speer ragte. Da war Storchenbein, und es gab mir einen Stich, denn wir hatten immer gesagt, da wir nicht gesehen hatten, wie er gestorben war, war er vielleicht nicht umgebracht worden und tobte immer noch als Berserker dort am Strand.
    Dann erschien Schielauge an meiner Seite, er stieg in ein Boot, das vorher nicht da gewesen war. Er sah mich an, den Kopf auf die Seite gelegt, sodass ich die blaue Linie um seinen Hals sehen konnte. Ich wusste – keine Ahnung woher –, dass er seinen Kopf zwischen die Käfigstäbe gezwängt und sich so das Genick gebrochen hatte.
    » Hat es wehgetan?«, fragte ich ihn.
    » Nicht so schlimm wie das, was noch kommen wird«, antwortete er und nahm im Boot Platz. Es fuhr davon, Gischt schäumte auf und besprengte mein Gesicht, vielleicht waren es aber auch Tränen, sodass ich nicht genau sehen konnte, wer es war, der aus der Menge der Gestalten auf der anderen Seite an die Spitze gehinkt kam, bis mich ein bekanntes Gesicht anstarrte.
    Ein blasses Gesicht, das einem blassen Mann mit hellem Haar gehörte. Der aber kein Runenschwert hatte …
    Ich erwachte und sah den Ziegenjungen und Botolf über mir stehen; die Hand des Jungen tropfte noch, denn er hatte mich mit Wasser bespritzt.
    » Du hast von Starkad geträumt«, brummte Botolf. » Na ja, wenigstens träumst du dann nicht mehr von dieser Hild.«
    Ich richtete mich benommen auf. Bei Odin, wusste denn hier jeder, was ich träumte? Sahen sie meine Traumbilder? Spiegelten sie sich vielleicht wie in einem stillen See über meinem Kopf wider?
    » Das wäre interessant«, lachte Kvasir, als ich verunsichert diese Frage stellte. » Aber die Antwort ist viel einfacher: Versuch, leiser zu träumen.«
    Es war dunkel geworden; der Mond sah zu sehr wie diese bleichen

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