Runenschwert
und Nabidh in silbernen Bechern anbot, dazu mit Zucker überzogene Nüsse, mit denen der Junge sich den Mund vollstopfte.
» Nicht der Anführer«, winkte er verächtlich ab. » Ein Hauptmann, kein Heerführer. Nicht der Rothaarige. Dieser hat alles, was er und seine Männer an Nahrungsmitteln hier erbeuten konnten, in seinen Schlupfwinkel mitgenommen. Es sind etwa dreihundert Mann.«
Er machte ein angeekeltes Gesicht. » Sie essen ihre eigenen Toten«, sagte er vertraulich, als sei dies eine große Neuigkeit für mich. Dann lachte er das strahlende, glückliche Lachen, das man von Irren und Betrunkenen kennt. » Aber wir werden ihn in seinem Versteck aufspüren, diesen Qualb al-Kuhl – du und ich.«
Ich verschluckte mich beinahe an meinem Nabidh. Ich hatte gedacht, die Sache sei beendet – und jetzt das. Soweit ich sehen konnte, hatte dieser Amid einen kleinen Reitertrupp, den die Sarazenen saqa nennen, dazu ein paar Fußsoldaten. Insgesamt hatte er bestenfalls hundert Mann, und von den Eingeschworenen waren auch nur noch eine Handvoll Männer übrig. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, er solle doch meinetwegen eine Ziege bumsen gehen. Ich war froh, dass überhaupt noch Eingeschworene am Leben waren; wie sollte ich sie in der jetztigen Lage überreden, Gott weiß wohin zu marschieren, um es mit einer Überzahl von Feinden aufzunehmen.
Stattdessen wischte ich mir den Mund ab und brachte die Frage heraus, wo dieses Versteck denn sei.
Bilal al-Dschamil lächelte zufrieden. » Masada«, sagte er lässig, » nicht weit von En Gedi.«
KAPITEL 16
Finn hatte das richtige Wort dafür: Es war Hels Abtritt. Ein Ort, wie geschaffen für einen Kindermörder wie den alten Herodes. Finn wusste nicht viel über die christlichen Sagen, aber in diesem Fall hatte er vollkommen recht.
Der Bergkegel von Masada lag da wie ein riesiger Haufen Kamelmist, hier und da gesprenkelt vom Weiß alter römischer Lager; die große Rampe, die sich am Bergha ng hi nabzog, war ein Wasserfall aus Felsbrocken und Geröll.
Die Befestigungsmauer bröckelte, aber sie stand auf einer senkrechten Klippe, die so hoch war, dass man sie vom Lager En Gedi aus gut sehen konnte, also war es egal, in welchem Zustand sie war. Selbst auf der alten Rampe würde es mindestens eine halbe Stunde dauern, bis man oben war, was in dieser erbarmungslosen Sonne und in einem Hagel von Pfeilen und Felsbrocken den sicheren Tod bedeuten würde.
» Dann greifen wir sie eben nachts an«, erklärte al-Misri. Ich wischte mir den Schweiß vom Gesicht und musterte seine Truppen: Es waren Bathili aus Ägypten, dann schwarzhäutige Masmuden und eine Handvoll Beduinen von hier. Fußsoldaten waren nur die Masmuden; sie trugen Roben und Turbane und waren mit Schild, Speer und Bogen bewaffnet. Da sie allerdings selbst bei Tageslicht kaum fähig waren, ihren eigenen Schwanz zu finden, war es aussichtslos zu erwarten, dass sie bei Nacht einen Berg erklommen.
Ich hatte jedoch erfahren, dass es noch einen anderen Weg hinauf gab. Man nannte ihn den Schlangenweg – und genau hier war Odins Hand im Spiel. Er führte nördlich und dann nach Osten um die Bergfestung, die wie ein riesiger Schiffsrumpf vor uns aufragte. Er war schon bei Tag gefährlich genug, denn er war so eng, dass ein einzelner guter Mann hier Hunderte aufhalten konnte. Bei Nacht wäre es leichter, hier mit Wachen fertigzuwerden, aber bis dahin war es eine gefährliche Kletterpartie, und was noch schlimmer war – die Späher von al-Misri hatten entdeckt, dass die Verteidiger den letzten Abschnitt vollkommen blockiert hatten.
» Die einzige Möglichkeit hochzukommen ist über die Steilwand, und die ist so hoch wie zehn Männer«, hatten sie berichtet.
Finn sah mich an, ich sah Kvasir an, und mir sank das Herz.
» Das ist doch ein Kinderspiel für einen Jungen, der in Björnshafen Möweneier gesammelt hat«, sagte Finn und klopfte mir aufmunternd auf den Rücken.
» Wenn du diesen Jungen gefunden hast, dann sag mir Bescheid«, erwiderte ich bitter. » Vielleicht fragst du ihn auch gleich, ob er so was schon mal im Dunkeln gemacht hat, an einer Klippe, die er nicht kennt und dazu in einem fremden Land.«
Aber natürlich war mir klar, dass es sein musste. Ich hatte mein Wyrd bereits in dem Moment erkannt, als der Ziegenjunge in En Gedi am Feuer zu mir gekommen war und mir eine Frage gestellt hatte, die mich mit der Wahrheit konfrontierte.
In diesem Land der kargen braunen und weißen Berge war En Gedi ein Juwel am
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