Runenschwert

Titel: Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert

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gegeben. Merkwürdig, was einem in einer solchen Situation durch den Kopf geht.
    Der Gipfel kam überraschend. Keuchend und nach Atem ringend zog ich mich über die Kante der flachen Ebene. Der Schlangenweg lag auf meiner linken Seite und verschwand in der Dunkelheit, außerdem gab es hier keine Befestigungsmauern. Der Hauptteil von Herodes’ terrassenförmig angelegtem Palast befand sich rechts von mir. Der Wind heulte über die Ebene, in der Ferne sah ich Schatten und Feuerschein, irgendwo blökten Ziegen.
    Langsam ging ich weiter und versuchte, etwas zu hören; auf keinen Fall wollte ich auf dem losen Geröll zu laut auftreten. Ich fand einen steinernen Stumpf, den Rest einer Säule, die einst das Dach eines Wandelganges getragen haben mochte. Jetzt schlang ich das Seil darum, den Rest ließ ich hinab, wo es in der Dunkelheit verschwand.
    Ich hockte mich hin und wartete, während der graue Streifen am Horizont immer breiter wurde und langsam die Farbe von Honig annahm. Ein warmer Wind raunte in den Ruinen, trotzdem fröstelte ich.
    Kvasir war als Erster oben, Hand über Hand, stöhnend und ächzend. Ich half ihm über den Rand, und er ließ sich schwer atmend auf den Boden fallen. » Bei Odins Arsch. Das war hart.«
    Finn kam hochgeklettert, als handle es sich um die Takelage an einem Mast. Er war kaum außer Atem und hatte nicht nur seinen Schild und das Schwert, sondern auch meine Waffen mitgebracht, die er mir grinsend überreich te.
    » Gut gemacht, Händler. Hab ich’s doch gesagt, du kannst klettern.«
    Schwer atmend kam einer nach dem anderen an, Kettenhemden rasselten, Schilde und Waffen klirrten. Ich fuhr bei jedem Geräusch zusammen, ohne zu berücksichtigen, was meine Männer hier vollbracht hatten. Das wurde mir erst viel später klar. Selbst mithilfe des Seils war das Klettern für einen Mann im Kettenhemd eine beachtliche Leistung, und Botolf brachte sogar meines mit herauf; ordentlich verpackt lag es über seiner Schulter.
    Der Ziegenjunge kam als Letzter. Ich merkte, wie die Kraft in seinen mageren Armen immer mehr nachließ, und mir krampfte sich vor Sorge der Magen zusammen – bis ich sah, dass er mit zusammengeknoteten Gürteln an Botolf hing.
    Der grinste, zog sich über den Rand und hob den Jungen so mühelos darüber, als wäre es ein Kanickel. Ich schluckte mühsam, denn eigentlich hatte ich den Jungen nicht dabeihaben wollen, aber das hatte mir erstaunte Blicke der anderen eingebracht, denn schließlich war er bisher auch mit uns durch dick und dünn gegangen.
    Ich schätzte die Entfernung zum nächsten Gebäude. Es war ein weitläufiger Palast, der einst zwei Stockwerke gehabt hatte, jetzt aber teilweise eingestürzt war. Wir müssten eine ziemlich weite Strecke über die offene Ebene zurücklegen, und das gefiel mir nicht. Die Araber wollten erst bei Sonnenaufgang angreifen, und das bedeutete, dass wir noch ziemlich lange hier herumsitzen müssten.
    » Was denkst du, Händler? Sollen wir einfach losstürmen?«, flüsterte Finn an meiner Seite.
    Ehrlich gesagt, ich wusste es nicht. Was wir auch taten, wir würden entdeckt werden, und selbst wenn die meisten der Briganten dort drinnen an ihren Feuern saßen, der eine oder andere müsste sicher mal pissen gehen, und der Schlangenweg war nur einen Steinwurf entfernt. Dort war bestimmt ein Wächter, der uns in der Morgendämmerung sehen musste, und ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass er genauso blind sein würde, wie er offenbar schwerhörig und dämlich war.
    In diesem Moment ertönte eine Stimme. Jemand rief uns aus der Dunkelheit an, nicht auf Griechisch oder Arabisch, sondern auf Westnordisch.
    Wir erstarrten. Der Wächter wiederholte die Frage, barscher diesmal, und ich hörte es klirren und sah den Funken von Feuerstein auf Stahl, als er versuchte, eine Fackel anzuzünden. Die Männer sahen sich an, in ihren alarmierten Gesichtern sah man nur das Weiße in den Augen. Finn knurrte. Er nahm den römischen Nagel aus dem Mund, und ich wusste, was seine Antwort sein würde – aber da ließ der Ziegenjunge ein Meckern hören.
    Es war ein so perfektes Meckern, wie man es nur von einer Ziege erwarten konnte, und er meckerte noch ein paarmal. Ich hatte Finn die Hand auf den Arm gelegt und merkte jetzt, wie unbehaglich ihm zumute war. Ein Nordmann als Wächter? Kein Freund, sondern ein Feind?
    Wir hörten einen leisen Fluch und der Wächter zog ab. Botolf fuhr dem Jungen wortlos durchs Haar und grinste, dass man selbst im Dunkeln