Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
magischen Barriere gefangenen Maugrim gingen zischend in Flammen auf. Wie vom Wind angefachte Funken eines lodernden Scheiterhaufens trudelten sie in die Tiefe.
»Dreckszeug«, brummte Jahanila hinter ihm. Ihre Nüstern rauchten. Da sie ihrem Ordensbruder knapp vorausgeflogen war, hatte sie nur wenige Stiche abbekommen. Dennoch war es ihr anzusehen, dass sie nun endgültig am Ende ihrer Kräfte angelangt war. Mit mühsamen Schlägen ihrer Schwingen hielt sie sich gerade noch in der Luft. »Du siehst entsetzlich aus.«
»Ist halb so schlimm«, wehrte Alcarasán ab, dessen verquollenes Gesicht seine zuversichtlichen Worte Lügen strafte. Er konnte fühlen, wie sich das Gift der Clar’catt in seinem Körper ausbreitete. Es presste seine Brust wie ein unsichtbarer Schraubstock zusammen und erschwerte ihm das Atmen. Er musste so schnell wie möglich wieder Boden unter den Füßen bekommen, wenn er nicht in die Tiefe hinabfallen wollte.
»Enris!«, hörte er Neria entsetzt aufschreien. »Was ist mit dir?«
Er blickte über die Schulter zurück. Auch Jahanila hob ihren Kopf. Sie sahen, dass sich Enris nicht mehr an Alcarasáns Hornzacken festhielt. Er saß zusammengesunken auf dem Serephin, den Kopf auf dessen Rücken gelegt, und ließ seine Arme herabhängen.
Sein Gesicht war von den Stichen der Clar’catt purpurrot verfärbt. Als Neria seinen Namen schrie, versuchte er sich aufzurichten, schaffte es aber nicht. Er stöhnte und murmelte etwas, das die Voronfrau nicht verstand.
»Er braucht sofort Hilfe, oder das Maugrimgift bringt ihn um«, erklärte Alcarasán.
Ohne etwas zu erwidern hörte seine Begleiterin auf, mit ihren Schwingen zu rütteln und segelte in einem weiten Bogen abwärts auf die Stadt zu, die unter ihnen auf der Spitze des Arfestan thronte. Neria konnte sich gerade noch an ihr festklammern. Alcarasán folgte ihr etwas langsamer, um den beinah bewusstlosen Temari auf seinem Rücken nicht zu verlieren. Wäre ihm das Atmen leichter gefallen, dann hätte er bei dem Gedanken an diese Vorsicht belustigt aufgeschnaubt. Manari wollte den jungen Mann tot sehen. Er störte ihre Pläne zu Runlands Vernichtung schon zu lange. Warum sich nicht auf dem Anflug zu Mehanúr kurz schütteln? Schon wäre das Problem, das seine Schwester plagte, gelöst.
Doch wie schon zuvor zögerte er. Es war besser, wenn Enris erst einmal am Leben blieb, zumindest, bis die Ainsarii ihnen einen Weg zurück in ihre Zeit erlaubten.
Ihr werdet Eilond verlassen und geprüft werden. Wenn ihr die Prüfung besteht, helfen wir euch.
Er wusste, dass sie es mit der Prüfung vor allem auf ihn abgesehen hatten. Wenn er nur herausfinden könnte, was sie von ihm erwarteten!
Die beiden Serephin sanken allmählich weiter hinab, Mehanúr entgegen. Da sie die Temari auf ihre Rücken genommen hatten, war es ihnen nicht möglich, in einen Sturzflug überzugehen. Stattdessen schraubten sie sich mit ausgebreiteten Schwingen wie Raubvögel tiefer und tiefer. Enris sah nichts von der Gegend, in die sie hinabtauchten. Seine Augen waren mittlerweile zugeschwollen, und sein Herz raste ihm in der Brust, schien dabei aber immer wieder zu stolpern und auszusetzen, bis es unvermittelt wie irrsinnig weitertrommelte. Obwohl er kaum noch bei Bewusstsein war, hatte er nicht vergessen, dass er sich festhalten musste, um nicht vom Rücken des Drachen zu fallen. Aber alle Kraft war aus seinen Armen gewichen, so dass sie schlaff und unnütz herabhingen, ohne ihm eine Hilfe zu sein. Nicht einmal die Vorstellung, sein Gehirn Hunderte von Fuß weiter unten auf dem leuchtend weißen Pflaster dieser unbekannten Stadt zu verspritzen, jagte ihm einen Schrecken ein. Es ängstigte ihn viel mehr, dass sein Herz bei einem dieser ruckartigen, stolpernden Pausen gänzlich zu schlagen aufhören könnte. Diese Vorstellung lag wie eine eisige Hand schwer auf seiner Brust.
Während Jahanila an Höhe verlor, starrte Neria indessen mit weit aufgerissenen Augen den riesigen Hügel an, der unter ihr stetig zu wachsen schien, und den Alcarasán als Adlerhorst bezeichnet hatte. Der Serephin hatte nicht übertrieben. Ein üppig wuchernder Wald beherrschte die Landschaft um den Arfestan. Auch der Hügel selbst war bis knapp vor den Stadtmauern auf seiner Spitze von Bäumen bedeckt. Diese waren das Riesenhafteste, was die Voronfrau je gesehen hatte. Der größte Teil ihrer Kronen musste bestimmt über hundertfünfzig Fuß vom Erdboden entfernt sein. Doch dazwischen fanden sich immer wieder
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