Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
stank es nach Rauch von Fackeln und Essen an kleinen Lagerfeuern. Die hier untergebrachten Menschen hatten so gut es eben ging versucht, es sich in ihrem zeitweiligen Zuhause wohnlich zu machen. Manche Bereiche der Höhle waren mit an Leinen aufgehängten Decken abgetrennt, um wenigstens ein bisschen den Schein von eigenen Räumen zum Leben aufrechtzuerhalten. Die meisten der Flüchtlinge aber waren gezwungen, ihre wenigen Habseligkeiten auf dem Boden auszubreiten, wo auch immer sich noch etwas Platz fand. Glabra erzählte ihnen, dass in Schichten gekocht wurde, um sicherzugehen, dass alle das von den Serephin verteilte Essen erhielten. Er wies auf seine Armbinde hin, ein Stück zerschlissenen roten Stoffs, und erklärte, dass dies das Zeichen der »Posten« sei, jener, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Lager zuständig seien.
»Wir Posten sorgen dafür, dass wir uns auf diesem engen Raum nicht ständig gegenseitig an die Gurgel gehen«, sagte er. »Wir schlichten Streit und sprechen Recht. Am Anfang, als wir gerade erst in der Weißen Stadt angekommen waren, hatten wir mehr als genug zu tun. Aber inzwischen tragen wir die meiste Zeit nur noch unsere Armbinden spazieren.«
Enris fragte nicht nach, warum dies so war. Er hatte das Gefühl, dass er die Antwort in den vielen müden Gesichtern um sich herum genau sehen konnte. Diese Menschen waren schon so lange in der Zisterne eingepfercht, dass sie inzwischen ihr Schicksal geduldig hinnahmen, ohne dagegen aufzubegehren.
»Ihr habt keine weitere Habe bei euch, nicht wahr?«, fuhr Glabra indessen fort.
Enris und Neria schüttelten die Köpfe.
»Dann nehmt euch davon.« Glabra deutete auf einen Haufen Decken und Felle, die nahe der seitlichen Felswand am Boden lagen. »Manchmal bringen uns die Feurigen Schlangen Dinge, die sie selbst nicht mehr brauchen, um uns das Leben hier unten leichter zu machen. Sucht euch einen Ort zum Schlafen, wo ihr wollt. Es ist hier zwar sehr überfüllt, aber es lässt sich noch immer etwas Platz am Boden finden, wenn es einen nicht stört, sich nicht allzu sehr ausbreiten zu können.«
»Vielen Dank!«, sagte Enris. »Wir werden uns schon zurechtfinden.«
Die beiden nahmen sich Decken von dem Haufen. Enris ging zu einem der Lagerfeuer am Übergang der Höhle zu der Zisterne.
»Lass uns von hier verschwinden«, flüsterte Neria ihm zu, während dieser den Stoff unter den neugierigen Blicken der Flüchtlinge in der Nähe des Lagerfeuers ausbreitete.
»Willst du dich nicht erst einmal ausruhen?«, fragte Enris leise. »Wir haben zuletzt eine Menge durchgemacht.«
»Ich will mich ausruhen«, gab Neria ebenfalls gedämpft, doch mit scharfer Stimme zurück. »Aber bestimmt nicht hier drin, mit all diesen lebenden Toten um mich herum.«
»Lebend ...was meinst du?«
»Das weißt du genau. Ich hab es in deinen Augen gesehen. Komm mit.«
Sie hatte sich bereits wieder dem Übergang zu der Zisterne zugewandt. Enris folgte ihr.
»Wo wollt ihr denn hin?«, fragte Glabra überrascht. Enris drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein Lächeln. »Oh, wir wollen uns nur ein wenig umsehen. Vielleicht erfahren wir ja etwas Neues über den Stand der Belagerung, das wir euch erzählen können.«
Er achtete nicht weiter auf die verwunderten Gesichter und das Getuschel der Flüchtlinge, sondern ging Neria hinterher, die bereits zielstrebig den Steinweg durch die Zisterne betreten hatte.
»Wir verhalten uns viel zu auffällig«, sagte er, während er ihr durch den Irrgarten der riesigen Säulenhalle folgte. »Sie dürfen keinen Verdacht schöpfen, dass wir vielleicht überhaupt nicht aus Galamar stammen.«
Neria hielt weder an, noch sah sie sich nach ihm um. »Es ist mir gleich, was sie von uns denken. Ich hab nicht vor, mich länger als unbedingt nötig in ihrer Nähe aufzuhalten.«
Enris legte seine Hand auf ihre Schulter. Jetzt erst blieb sie stehen. Sie fuhr herum. Ihre blutroten Augen leuchteten im Licht der Fackeln wie glühende Kohlen. »Dieser Ort stinkt nach Tod!«, brach es so heftig aus ihr heraus, dass Enris zurückzuckte. »Die Menschen da hinten haben sich selbst aufgegeben. Sie sind wie willenloses Vieh auf der Weide eines eurer Bauern.«
Enris musste zugeben, dass Neria recht hatte. Die Vorfahren ihrer beider Rassen hatten sich als eine Enttäuschung herausgestellt. Sie waren keine Helden aus dem Zeitalter der Legenden mit beinahe göttlichen Kräften. Er ahnte, warum.
»Wundert dich das? Diese Menschen sind Wesen, deren
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