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Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Titel: Runlandsaga - Die Schicksalsfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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seine Lippen die ihren fanden, ließ sie es nicht nur geschehen, sondern küsste ihn so hungrig, wie ein Verdurstender einen Krug mit frischem, kalten Wasser hinabstürzen mochte. Doch nach einer Weile legte sie ihm lächelnd ihre Handfläche auf die Lippen, so dass er innehielt, und zeigte ihm das zusammengerollte Blatt, das die Serephinfrau ihr gegeben hatte.
    »Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst?«, fragte sie ihn, nachdem sie ihm erzählt hatte, was Jahanilas Zauber dank der Kraft dieses Ortes vermochte. »Es könnte beängstigend für dich sein, dich als etwas anderes als ein menschliches Wesen zu erleben.«
    »Das ist mir bewusst«, sagte Enris. »Aber diese Gefahr gehe ich gerne ein.« Er nahm ihre Hände, die immer noch das Blatt festhielten, und drückte sie fest. »Ich will wissen, was es bedeutet, zu deinem Volk zu gehören. Wenn ich das, was Jahanila dir erzählt hat, richtig verstanden habe, dann werde ich vielleicht nie wieder die Gelegenheit bekommen, es herauszufinden, selbst, wenn wir am Leben bleiben sollten.«
    Ein Lächeln spielte um Nerias Mund, in Enris’ Augen um so kostbarer, weil es so selten zu sehen war. Er nahm das Blatt aus ihren Händen, steckte es in den Mund und begann zu kauen.
    Im ersten Moment hätte er es am liebsten sofort wieder ausgespuckt. Es schmeckte bitter wie Wermut. Doch bevor er auch nur ein Würgen hervorbringen konnte, wurde seine Zunge taub, und der bittere Geschmack verschwand. Zurück blieb ein Gefühl von Leichtigkeit, das sich mit jedem weiteren Atemzug verstärkte. Er schluckte das zerkaute Blatt hinunter. Sofort wärmte es seinen Magen wie starker Flirin.
    Ihm fiel auf, dass Neria ihn besorgt beobachtete, und er grinste ihr zu. »Alles in Ordnung. Es ist alles ...«
    Es waren die letzten Worte, die er für den Rest der Nacht hervorbrachte. Wie ein Stein fiel er hintenüber, plumpste mit seinem Rücken gegen den Stamm des Baumes, auf dessen Wurzeln sie gesessen hatten, und sank an ihm zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in den Irrgarten der Blätter über sich, in dem sich die hellen Punkte der fernen Sterne versteckten.
    Neria war von seinem Fall so überrumpelt gewesen, dass sie ihn nicht hatte auffangen können. Nun sprang sie besorgt an seine Seite und fühlte seinen Herzschlag. Der kurze Schreck, der ihren Körper durchfahren hatte, verklang wieder, als sie in Enris’ Augen sah und weder Angst noch Schmerz darin erkennen konnte. Auch sein Puls ging regelmäßig, wenn auch schneller als man es von jemandem erwartet hätte, der ruhig auf dem Rücken lag. Sie ergriff eine seiner Hände.
    »Ich bin mir sicher, dass du mich hören kannst. Egal was noch geschehen wird, du musst dir keine Sorgen machen. Jahanila würde nichts tun, was dir oder mir schaden würde, das weiß ich genau.« Neria hielt kurz inne, bevor sie weitersprach. »Ihr liegt viel an dir.«
    Enris drückte ihre Hand, als ob er ihr antworten wolle, dass er sie verstanden hatte. Noch immer starrte er in die Baumkrone.
    »Lass uns zusammen die Gestalt wechseln«, fuhr Neria fort. »Auf diese Art wird es leichter für dich.«
    Sie schloss ihre Augen.
    Es war um ein Vielfaches einfacher, als sie erwartet hatte. Wie Jahanila gesagt hatte, fiel es ihr leicht, in Galamar Magie zu wirken. Neria musste nur jene dunklen Erinnerungsfetzen an ihr Dasein als Wölfin zu fassen bekommen, die nach jedem Vollmond in ihrem menschlichen Verstand zurückgeblieben waren. Sie hatte kaum den Wunsch gefasst, wieder in die Gestalt zu wechseln, der diese Erinnerungen gehörten, als sie schon der erste gut bekannte Krampf durchfuhr, der ihr bisher einmal im Monat die Veränderung ihres Körpers angekündigt hatte. Stöhnend krümmte sie sich zusammen, immer noch Enris’ Hand fest umklammert. Nie zuvor war der Schmerz der Verwandlung weniger brutal gewesen, und nie zuvor hatte sie sich über ihn so gefreut. Jahanila hatte recht gehabt. Die Kraft war immer in ihr gewesen. Sie selbstwirkte Magie, nicht der Mond am Himmel oder die rechte Zeit. Mit einem nicht enden wollenden, erleichterten Schrei, der die nächtliche Stille zerriss, nahm sie Talháras’ Erbe gänzlich für sich in Anspruch.
    Enris hatte, seitdem er zu Boden gesunken war, das Gefühl gehabt, dass die Welt um ihn herum jede Festigkeit verloren hatte. Die Grenzen von allem, was er um sich herum wahrnahm, gerieten ins Schwimmen. Der Nachthimmel über ihm kippte in die Baumkronen hinein, ein blauschwarzer Fluss, gesprenkelt mit hell

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