Runlandsaga - Feuer im Norden
heraufgekommen.«
Derjenige der beiden, der eben den Namen von Felgars Wintergöttin im Mund geführt hatte, ein stämmiger, aber hochgewachsener Mann, blieb kurz stehen, um ein Taschentuch aus dem Ärmel seines Hemdes zu ziehen und sich damit die Stirn zu wischen. Sein Begleiter, etwas kleiner, ebenfalls kräftig gebaut, deutete auf eine Gruppe von mehreren Leuten, die etwas weiter weg von ihnen unter dem Licht einer Laterne zwischen zwei der Eichenholzsäulen standen und sich unterhielten. »He, sind das da drüben nicht Tescal und Orrin? Komm, lass uns zu ihnen gehen, die wissen bestimmt mehr darüber, was in der Festung passiert ist. Barams Bruder wohnt in derselben Straße wie die beiden.«
Sein Gegenüber nickte stumm, während er immer noch mit seinem Taschentuch beschäftigt war, dann steuerten sie auf die bekannten Gesichter zu, die sie in dem allmählich immer dichter werdenden Gewühl unter dem Vordach der Ratshalle entdeckt hatten.
Enris war erleichtert, dass sich die Gerüchte, Fremde hätten die Meeresburg in ihre Gewalt gebracht, so schnell in Andostaan verbreitet hatten. Viele, die etwas von Barams Entkommen aus der Festung und der Einberufung des Rates gehört hatten, waren aus Neugier sofort hierher geeilt. Wenn Arcad jetzt versuchen würde, den Rat davon zu überzeugen, dass Andostaans Einwohner in der Stadt nicht mehr sicher waren, dann konnten ihm diese besorgniserregenden Gerüchte vielleicht helfen.
Aber noch etwas anderes ging ihm durch den Kopf, als er die Leute beobachtete. Er lebte nun schon seit mehreren Monaten hier, aber er kannte diese Menschen nicht. Letztendlich waren sie ihm genauso fremd wie an dem Tag, als er dort unten im Hafen von Bord gegangen und zum ersten Mal seinen Fuß auf den Boden dieses nördlichen Landes gesetzt hatte. Er konnte nicht sagen, ob das so war, weil man es in jenem abgelegenen Teil Runlands als Fremder schwerer hatte, anderen Leuten nahe zu kommen, oder ob es an ihm selbst lag. Vielleicht hatte sich die immer größere Unzufriedenheit, von der er seit Beginn seiner langweiligen Arbeit bei Larian ergriffen worden war, inzwischen auf Land und Leute ausgedehnt. Was auch immer der Grund sein mochte, er war unter diesen Menschen ein Fremder und hatte das bedrückende Gefühl, dass er ihnen nicht einmal auffiel. Er konnte hier sitzen und ihren Gesprächen lauschen, als wäre er der Geist eines Toten, jemand, der eigentlich gar nicht hierher gehörte. An keinem der Leben um ihn herum nahm er teil.
Erleichterung überkam ihn, als er schließlich in einiger Entfernung Arcads Gestalt auf das Gebäude zukommen sah, ein Gefühl, das ihn in seiner Eindringlichkeit überraschte. Enris kannte ihn erst seit wenigen Stunden, und zu Beginn hatten ihn die Geheimniskrämerei und die überhebliche Art des Elfen mehrfach zur Weißglut getrieben. Aber nichtsdestotrotz war er für diesen Endar wenigstens kein Unsichtbarer. Ihre Schicksale hatten sich miteinander verflochten, was auch immer daraus erwachsen mochte. Eine Verbindung, selbst wenn sie sich in der Gegenwart von Schmerz und Tod gebildet hatte, war immer noch besser als ein Dasein ohne jeden Anteil an anderen Wesen.
Arcad war in Begleitung einer hochgewachsenen Frau mit kurz geschnittenen roten Haaren, neben der er noch kleiner als sonst aussah. Enris vermutete, dass sie ein paar Jahre älter als er selbst sein mochte. Ihr Gesicht, das so früh im Jahr eine kräftige, sonnengebräunte Farbe besaß, ließ erahnen, dass sie einen großen Teil ihrer Zeit im Freien verbrachte. Im Schein der über ihm hängenden Laternen sah der junge Mann, dass sich um ihren Mund und auf ihrer Stirn bereits einige Linien eingefunden hatten, die sich in folgenden Jahren weiter vertiefen mochten, aber noch ging eine herbe Schönheit von ihr aus wie der salzige Wind über dem Meer.
»Ah, gut, dass du schon hier bist!«, rief Arcad ihm zu. Nur für einen kurzen Moment flog ein knappes Lächeln über sein Gesicht, dann wandte er sich mit bereits wieder ernster Miene an seine Begleiterin. »Das ist Enris. Ich hatte Euch von ihm erzählt. Er war als Margons Gast in Carn Taar. Enris, Suvare hier ist der Khor einer Tjalk, die gerade im Hafen vor Anker liegt. Ich konnte sie überzeugen, mit mir zu kommen. Hoffentlich wird sie uns an Bord nehmen.«
Suvare ergriff Enris‘ ausgestreckte Hand mit festem Druck. »Ich habe Euch nichts versprochen, Arcad«, sagte sie zu dem Elf, während sie noch Enris’ Hand schüttelte. »Sobald ich davon
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