Runlandsaga - Feuer im Norden
abwandte.
»Es fällt mir schwer, das alles zu glauben«, murmelte sie. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, ich bin immer noch betrunken von gestern Nacht.«
Erst jetzt fiel Enris auf, dass diese Frau ihn nicht für verrückt erklärt hatte. Er lockerte seine Hände, die er schmerzhaft zu Fäusten geballt hatte. Mit einer verlegenen Geste fuhr er sich durch seine schwarzen Haare.
»Was ist mit den Eltern von Mirka?«, fragte Arcad.
»Er hat nur noch seine Mutter, und die war nicht daheim«, erwiderte Enris etwas weniger laut. »Mirka meint, es wäre nicht das erste Mal, dass sie ihn für zwei oder drei Tage alleine lässt. Sie hat wohl einen Liebhaber in der Stadt. Der Junge wollte mit mir gehen, und ich habe es ihm erlaubt. In unserer Nähe ist er bestimmt sicherer als alleine zu Hause. Vielleicht kommt seine Mutter auch hierher. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass heute noch eine Versammlung stattfindet.«
Arcad nickte. »Gut gemacht. Hoffen wir, dass uns noch genügend Zeit bleibt, die Menschen hier zu warnen.«
»Ich gehe nicht ohne Theris auf das Schiff«, sagte Enris entschlossen. »Wir haben viel zusammen durchgemacht. Wenn die Stadt angegriffen wird, dann lasse ich ihn nicht hier zurück!«
Für einen Moment schwieg der Elf. Auch Suvare sagte nichts, sondern sah die beiden abwartend an, als wolle sie sich nicht in deren Angelegenheiten einmischen. Im Hintergrund schwoll der Lärm derer, die sich bereits in der Halle aufhielten und miteinander sprachen, kurz an, bevor er wieder etwas verebbte.
»Wenn du dich für Theris verantwortlich fühlst«, erwiderte Arcad schließlich, »dann ist es deine Entscheidung, nicht ohne ihn zu gehen. Handle, wie du es für richtig hältst, aber denke auch an Mirka. Er ist bei dir, und er verlässt sich auf dich. Du wirst vielleicht nicht die Möglichkeit haben, beide zu retten, wenn hier der Sturm losbricht.«
Suvare packte ihn am Arm. »Ihr glaubt es wirklich, nicht wahr, dass die Festung oben auf den Klippen jeden Augenblick ein Heer von Ungeheuern ausspucken könnte, die durch ein magisches Portal gekommen sind?«
Wenn der Elf etwas dagegen hatte, von einem Menschen angefasst zu werden, so ließ er sich, bis auf einen kurzen Blick auf Suvares Hand, nichts anmerken.
»Ihr habt auf dem Weg hierher meine Geschichte gehört«, antwortete er ruhig. »Ranár wird nicht lange brauchen, um herauszufinden, wie das Portal zu benutzen ist.«
Suvare ließ ihn los. Enris las im Ausdruck auf ihrem Gesicht eine Mischung aus Besorgnis, Misstrauen und tiefer Verwunderung über das, was Arcad ihr erzählt hatte.
Du wärst noch viel erstaunter, wenn du dort gewesen wärst, wo wir heute waren, dachte er bitter.
»Was ist Eure Rolle dabei?«, fragte Suvare den Endar. »Weshalb wart Ihr in Carn Taar, als dieser Ranár Euch und die anderen entführte? Ich weiß kaum etwas von diesen Dingen, aber mit so einem magischen Portal können doch bestimmt nur wenige umgehen. Und zufällig ist gerade jemand wie Ihr als Geisel zur Hand, als Ranár einen Türöffner braucht. Haltet mich bitte nicht für einfältig, Arcad. Am Knochen Eurer Geschichte hängt mehr Fleisch, als Ihr mir bisher aufgetischt habt.«
Enris durchzuckte bei Suvares Worten die Erkenntnis, dass der Endar ihr anscheinend nichts davon erzählt hatte, wie er bewusstlos am Strand aufgefunden und später vor dem verschlossenen Quelor entdeckt worden war.
»Ihr habt Recht«, gestand Arcad, dessen Stimme wieder einen ungeduldigen Klang angenommen hatte. Enris vermutete, dass der Elf immer dann in diesen Ton verfiel, wenn er sich aufgehalten fühlte, weil man ihn zu Erklärungen drängte.
»Ich hatte leider nicht die Zeit, Euch alles zu erzählen. Auch Enris hier konnte ich bei weitem nicht alle seiner Fragen beantworten. Für den Augenblick muss es Euch reichen, dass ich ebenso wie Ranár in der Festung war, weil ich wie er nach diesem Portal suchte. Ich hoffte, andere aus meinem Volk zu finden, die den Menschen gegen die Bedrohung durch die Serephin beistehen könnten. Aber diese Hoffnung hat sich nun zerschlagen. Ranár beherrscht das Quelor, und wir können nicht dorthin zurück, um Hilfe herbeizuholen.«
Sein Gesicht hatte sich verdüstert. Er hob seinen Kopf und sah sich um. Enris, der seinem Blick folgte, bemerkte mehrere Leute, die in einiger Entfernung zu ihnen standen und den Elfen wie auch die rothaarige Fremde in den ledernen Seemannskleidern mit unverhohlener Neugier beobachteten. Selbst er,
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