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Runlandsaga - Feuer im Norden

Runlandsaga - Feuer im Norden

Titel: Runlandsaga - Feuer im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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trotz seiner Größe nicht aufgefallen. Aber er hatte den Ratsherrn anscheinend nicht aus den Augen gelassen. Zwei sehnige Arme griffen Tolvane um die Hüfte und hoben ihn hoch, sodass sich dieser schneller durch das Fenster ziehen konnte.
    Der hagere alte Verwalter wollte dem nächsten der Ratsmitglieder, dem schwitzenden Kindergesicht, durch das Fenster helfen, als Larcaan ihn hart zur Seite drängte. »Aus dem Weg! Ihr haltet nur alle auf«, knurrte er und zog sich durch die Öffnung, unbeeindruckt von den wütenden Ausrufen der anderen. Laut polternd verhallten seine Schritte auf der Veranda.
    »Dieser Dreckskerl!«, rief Enris wütend.
    »Egal«, keuchte Tolvanes Hausverwalter. »Schnell, der Nächste!« Er und Enris halfen den Ratsleuten durch das Fenster. Als sich der junge Mann umsah, bemerkte er, dass der Saal fast leer war. Nur am Eingang schoben sich immer noch einige nach draußen.
    Während sich der Verwalter auf die Veranda zog und verschwand, legte Enris eine Hand auf Mirkas Schulter: »Jetzt du!«
    Der Junge nickte. Er saß gerade rittlings auf der Fensterbank, um auf die Holzbohlen hinabzuspringen, als der Lärm der Fliehenden außerhalb der Halle zunahm. Schmerzensschreie und panikartige Rufe hallten in der Dunkelheit. Mirka hielt für einen Augenblick in seiner Bewegung inne, den Kopf schiefgelegt, wie um besser lauschen zu können, als ein hell leuchtendes Geschoss die Nacht zerriss und sich in hohem Bogen dicht neben ihm in die Außenwand bohrte. Sofort prasselten Flammen neben dem Fensterrahmen empor. Er schrie auf und kippte nach hinten, zurück in die Halle. Geistesgegenwärtig streckte Enris die Hände aus. Es gelang ihm, den Jungen aufzufangen.
    Mirkas Hemd stand an mehreren Stellen in Flammen. Er schlug wild auf die brennenden Stellen ein.
    »Mach es aus!«, kreischte er schrill.
    Enris riss das Kind zu Boden und wälzte es auf den Bretterdielen hin und her. Er konnte das Feuer schnell ersticken. Doch während die beiden noch am Boden kauerten, flog der nächste Brandpfeil direkt durch das offene Fenster und traf eine der Säulen. Enris sah, wie das Holz um die Einschussstelle in Flammen aufging. Womit auch immer man die Spitzen dieser Geschosse umwickelt hatte, es war bei weitem leichter entflammbar als Lampenöl.
    Der Junge war wieder aufgesprungen und betastete stöhnend seinen Oberkörper unter dem mit Brandflecken übersäten Hemd. Weitere Geschosse trafen dumpf die Außenwand der Halle. Der Feuerschein auf der Veranda nahm zu, ebenso die schrillen Rufe der Flüchtenden. Einer der Brandpfeile flog wie ein leuchtender Komet in den Raum und erreichte die gegenüberliegende Wand, die sofort Feuer fing. Ein Mann der Stadtwache, der als einer der Letzten die Halle verlassen hatte, kam wieder zurück in den Saal getaumelt. Ein Pfeil ragte aus seinem Rücken, Flammen leckten an seinem Oberkörper. Mit einem grässlichen Schrei fiel er vor dem jungen Mann und dem Kind zu Boden und rührte sich nicht mehr, während die Flammen weiter seine Rüstung und sein Fleisch verzehrten.
    Enris versuchte, seinen Blick abzuwenden, aber er konnte es nicht. Der Gestank von verkohlendem Fleisch löste in ihm einen Würgreiz aus. Als wäre es eine schwache Erinnerung aus einem längst vergangenen Leben, das nicht mehr zu dem Seinen gehörte, spürte er, wie der rothaarige Junge neben ihm heftig an seinem Arm zerrte. Doch er war nicht in der Lage aufzustehen. Das Gesicht des toten Mannes vor ihm, das sich hinter dem Vorhang der zischenden Flammen allmählich schwärzte, und der ekelerregende Gestank des verbrennenden Körpers war wie ein sichtbares Versprechen seiner Zukunft. Die Serephin hatten Runland überfallen, wie von Arcad vorausgesagt. Sie hatten die Halle des Rates umstellt, und nun verwandelten sie diesen Ort in ein loderndes Grab.

4
    Mit einer langsamen, fließenden Bewegung glitt der scharlachfarbene Vorhang vor dem Turmfenster zurück und gab einen weiten Blick auf Gotharnar frei.
    Alcarasán befestigte die Kordel, an der er gezogen hatte, und trat vor die breite Öffnung. Sie füllte beinahe die gesamte Länge der Wand aus. So weit er sehen konnte, erstreckte sich unter ihm das Gebäudemeer der fliegenden Weißen Stadt. Zahllose spitz zulaufende Türme wechselten sich mit breiten, halbrunden Kuppeldächern ab und schufen so in den Umrissen der Bauten ein wellenförmiges Auf und Nieder, das ihnen jede Starrheit raubte. Von dem erhöhten Ort aus, an dem sich Alcarasán befand, wirkte das Meer der

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