Runlandsaga - Feuer im Norden
etwas, das sie nicht finden konnte.
»Doch ich spürte, dass dich etwas bedrückt und musste nicht tiefer gehen. Es ist mir klar, was dir zu schaffen macht. Also wies ich Meranjo an, hier zu bleiben. Der Gute hat mich sofort verstanden, schließlich dient er uns lange genug. Er fragte nicht weiter, warum.«
Sie drehte sich schnell zu ihm um. »Du wirst schon wieder fortgehen, nicht wahr?«
Alcarasán schwieg. Was sollte er sagen? Dass er selbst nicht glücklich darüber war, bereits einen Tag nach seiner Ankunft wieder gehen zu müssen? Wie sehr es ihn schmerzte, den mit so vielen Bildern aus vergangenen Tagen verbundenen Duft seines Hauses einzuatmen, weil er wusste, dass er den Auftrag hatte, bald erneut aufzubrechen? Wenn er das seiner Mutter gesagt hätte, wäre es nicht die volle Wahrheit gewesen. Denn dann hätte er auch darauf antworten müssen, was ihn am Bleiben hinderte.
Von niemandem war ihm ein Schwert auf die Brust gesetzt worden. Der Lamazhabin hatte einen Wunsch geäußert. Alcarasán wäre jederzeit frei gewesen, abzulehnen. Terovirin hätte es seinem Restaran angesichts der eben erfolgreich abgeschlossenen Suche nach den Maugrim nicht übelgenommen, wenn dieser ihn darum gebeten hätte, einen anderen nach Runland zu schicken. Alcarasán kannte den Ältesten gut genug, um ihm so weit zu vertrauen.
Nein, wenn er Aneirialis von seinem Schmerz erzählt hätte, dann hätte er ihr auch sagen müssen, dass niemand anderes ihm zu gehen befahl als er sich selbst. Er war es, der sich entschieden hatte, Terovirins Wunsch Folge zu leisten, weil ihm das Lob für seinen einmaligen Erfolg nicht genügte. Der Lamazhabin hatte nach der Flucht seines Vaters in mancherlei Hinsicht dessen Stelle eingenommen. Er wollte den Ältesten nicht enttäuschen. Außerdem würden die anderen Restaran erneut versuchen, gegen ihn Ränke zu schmieden, besonders jetzt, da er heil zurückgekehrt war. Wenn er Terovirin seinen Wert zeigen wollte, dann musste er sich weiter beweisen. Er durfte jetzt nicht aufhören.
Alcarasán sah die Traurigkeit in Aneirialis‘ Augen. Noch mehr fühlte er sie einer dunklen Welle gleich von ihr ausgehen. Sie traf ihn so stark, dass er schwankte.
Als sie weitersprach, klang ihre Stimme gefasst und ruhig. »Du musst es mir nicht erklären. Ich weiß schließlich gut genug, wie wichtig dir der Orden ist.«
»Es ist nur für diesen einen Auftrag«, sagte er. »Ich bin so schnell wieder da, wie ich ...«
»Wann musst du fort?«, unterbrach ihn Aneirialis.
»Morgen.«
Sie legte ihren Arm um seine Schulter. Nun stahl sich ein Lächeln über ihr Gesicht. »Dann haben wir immerhin eine lange Nacht, die wir zusammen verbringen können. Du wirst mir viel erzählen müssen. Ich bin sehr gespannt, an welche Orte es dich verschlug und was du in der Fremde alles erlebt hast.«
»Oh, ich habe ebenso eine Menge Fragen«, erwiderte Alcarasán schnell. Erleichterung überkam ihn, dass Aneirialis ihm keine Vorwürfe machte. Er haderte mehr als genug mit sich, weil er ihr Kummer bereitet hatte.
»Was ist geschehen, während ich fort war? Leben meine alten Freunde noch immer in Gotharnar? Disaran und Jekara haben doch immer wieder davon geredet, nach Nurdupal zu gehen. Sind sie noch hier, oder ...« Er sprach nicht weiter. Der Blick seiner Mutter sagte mehr als genug.
»Nachdem vier Zyklen seit deinem Aufbruch vergangen waren, zogen sie von hier fort«, erwiderte sie. »Die beiden hatten die Hoffnung auf deine baldige Rückkehr aufgegeben. Wir alle dachten anfangs, dass der Orden dich nicht für so lange Zeit in der Fremde lassen würde. Aber der Älteste gab uns keine Auskünfte auf unsere Fragen, und glaube mir, wir gingen mehr als nur einmal zu ihm, um zu erfahren, wie es dir gehe.«
»Er konnte euch nichts sagen, nicht nur, weil mein Auftrag geheim war. Er wusste selbst nicht, wo genau ich mich aufhielt.«
Aneirialis winkte mit einer beinahe ungeduldigen Geste ab. »Du musst ihn nicht entschuldigen. Der Maharanár ist niemandem Rechenschaft schuldig, schon gar nicht mir. Ich gehöre ja nicht einmal zum Orden der Flamme. Jedenfalls warteten Disaran und Jekara lange Zeit auf dich. Obwohl sie schon viel früher geplant hatten, bei Jekaras Familie in Nurdupal zu leben, wollten sie erst deine Rückkehr abwarten. Aber schließlich waren sie es leid. Vor allem Disaran hatte das Gefühl, du hättest sie vergessen, wenn ich ihm auch immer wieder gesagt habe, dass du nicht für die Pläne des Ordens verantwortlich
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