Runlandsaga - Sturm der Serephin
Feuer, dem nichts Unreines standhält. Lauf nur, umso länger dauert unser Spaß! Wir sehen uns wieder, verlass dich darauf!
Enris hörte nicht mehr, was die Gestalt noch rief. Er flüchtete weiter, während sich schwarze und weiße Felder zu seinen Füßen abwechselten. Plötzlich stolperte er, fiel hin und konnte die Beine nicht mehr bewegen, denn sie schienen sich in etwas verfangen zu haben. Schweiß brach auf seiner Stirn aus. Er biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Mit einem Mal spürte er, dass er nicht mehr auf einem Boden wie aus einer Partie Dreyn lag, sondern in einem Bett. Um ihn herum herrschte Finsternis. Die Bettdecke hatte sich um seine Füße gewickelt, sodass er sie kaum auseinander bekam.
Im ersten Moment tastete er verwirrt um sich und fühlte den Rand des Bettes unter den Fingern. Erst allmählich erinnerte er sich daran, wo er sich befand. Was für ein Albtraum!
Als er sich schwer atmend auf sein Kissen fallen ließ, spürte er die Nässe von erkaltendem Schweiß auf dem Rücken. Erneut richtete er sich im Dunkeln auf, zog das Hemd aus und wischte sich die Haut damit trocken. Dann warf er das feuchte Hemd auf den Boden neben dem Bett und legte sich wieder hin.
Aus welchen finsteren Winkeln seines Geistes waren nur diese scheußlichen Bilder gekrochen?
Irgendwo hatte er einmal gehört, dass der Verstand in Träumen Erlebnisse aus der Vergangenheit des Träumers nachspielen würde. Aber er konnte sich nicht entsinnen, jemals einen Mann wie den Fremden aus seinem Traum gesehen zu haben, diese Furcht erregende Gestalt mit ihrem eisblauen, durchdringenden Blick, der ein Gefühl von Bedrohung verströmte wie lähmendes Gift.
Enris fühlte sich hellwach. Nur mühsam gelang es ihm, wieder einzuschlafen.
11
Am nächsten Morgen erhob sich die Sonne an einem wolkenlosen Himmel. Dafür, dass dem Kalender nach längst der Frühling begonnen hatte, war es noch immer recht kühl, doch im Gegensatz zum Vortag ließ nichts vermuten, dass bald wieder schlechtes Wetter heraufziehen würde.
Baram öffnete die Fensterläden seines Zimmers im Bedienstetentrakt und blinzelte verschlafen in den leeren Innenhof.
So etwas Verrücktes! Gestern hätte er noch den Lohn für die Arbeit eines ganzen Tages darauf verwettet, dass es heute immer noch kalt und verregnet sein würde – und nun herrschte strahlender Sonnenschein! Es war genau so gekommen, wie Thaja vorhergesagt hatte. Eine Fremde, die nicht in Felgar am Rand des nördlichen Meeres geboren war, hatte eine bessere Nase dafür gehabt, dass sich das Wetter ändern würde, als er selbst!
Er schüttelte den Kopf und kratzte sich ausgiebig im Nacken. Na, wenn das mal mit rechten Dingen zuging! Wer konnte schon sagen, ob diese Heilerin oder ihr Mann nicht die Regenwolken weggehext hatten – schließlich wussten sie über solche Dinge Bescheid.
Dann wandte er sich gähnend vom Fenster ab und band sich seine Lederschürze um. Was auch der Grund dafür sein mochte, jedenfalls schien nach langer Zeit endlich wieder einmal die Sonne auf die Mauern der Meeresburg herab. Darüber würde er sich bestimmt nicht beschweren.
Weil er mit dem Rücken zum Fenster stand, sah er die Gestalt nicht, die aus dem Eingang zum Bedienstetentrakt getreten war und nun den Innenhof in Richtung der Schwarzen Nadel überquerte.
Als Baram in den langen Flur im ersten Stockwerk ging, öffnete sich einige Fuß vor ihm eine Tür. Ein junger Mann tauchte dahinter auf.
»Guten Morgen«, sagte er.
»Gleichfalls«, erwiderte Baram leicht verwirrt. »Wer seid Ihr denn?«, wollte er wissen. »Ich kenne Euer Gesicht gar nicht. Gehört Ihr zu den Wachleuten?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
»Nein, ich – ach, das ist etwas schwierig zu erklären. Ich bin ein Bekannter von Margon. Er hat mich gestern hier übernachten lassen. Ich heiße Enris.«
Er streckte Baram seine Hand entgegen. Der alte Schmied drückte sie nach einem Moment des Zögerns.
»Margon hätte mir ruhig sagen können, dass er jemanden hier wohnen lässt«, brummte er. »Ich bin‘s gewohnt, den Bedienstetentrakt bis auf den einen oder anderen Kranken ab und an für mich allein zu haben. Alte Leute wie ich gewöhnen sich nicht gern um.«
»Ich bin erst gestern Nacht angekommen«, erwiderte Enris.
Sie wandten sich beide dem Ausgang zu, und Baram öffnete die Tür zum Innenhof.
»Ach, nehmt bloß nicht zu ernst, was ich sage. Dass er mir schon Bescheid gegeben hätte, wenn ich nicht längst im Bett
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