Runlandsaga - Wolfzeit
vernehmen? Hatte er sie überhaupt gehört, oder war es sein Verstand, der ihm das Zischen übersetzte? Offenbar übte das Wesen eine Art von Magie auf ihn aus. Diese Vorstellung behagte ihm nicht. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, stellte ihm Neria den Unbekannten vor.
»Enris, das ist Jahanila. Sie war es, die dich durch das Portal brachte. Sie hat dich vor dem anderen Serephin beschützt.«
»Ich ... ich danke Euch«, stotterte Enris, der kaum wusste, was er sagen sollte. Die fremdartige Gestalt mit der roten Schlangenhaut verzog ihre Lippen zu einem Lächeln, das ihn sofort wieder ein wenig beruhigte.
Vielleicht sind sie uns doch nicht so unähnlich, überlegte er.
»Du kennst ihren Namen?«, fragte er Neria laut.
»Ay, ich habe ihn von ihr erfahren, als die Dunkelelfen uns dieses Zimmer zuwiesen. Ihren Begleiter haben sie in einem anderen Raum untergebracht.«
»Ich sehe, dass du dich schon wieder etwas erholt hast«, sagte Jahanila. »Dann wollen wir die Antara nicht länger warten lassen. Ich habe sie gerade gesprochen. Sie sind schon sehr erpicht darauf, unsere Geschichte zu hören.«
»Moment, nicht so schnell«, entgegnete Enris und hob eine Hand. Es fiel ihm auf, dass er nach einem Moment der Überraschung mit diesem Wesen redete wie mit Seinesgleichen, aber nach allem, was er in der letzten Zeit erlebt hatte, kümmerte ihn das kaum.
»Wer seid Ihr, und was hattet Ihr auf Irteca zu schaffen? Warum habt Ihr uns vor dem anderen Eures Volkes beschützt? Was wollt Ihr von uns?«
Er hatte seine Fragen immer schneller und lauter gestellt, bis er mit einem erschöpften Seufzen nach Luft rang.
»Ich kann mir vorstellen, dass es euch beiden sehr nach Antworten verlangt«, erwiderte Jahanila. »Ihr sollt sie auch bekommen, dies ist nur recht und billig. Wir haben euch viel zu lange wie unverständige Kinder behandelt. – Kommt mit mir! Die Antara erwarten uns, um über unser Eindringen Recht zu sprechen.«
»Eine Gerichtsverhandlung mit uns als Angeklagten?«, murmelte Enris. »Unsere Bitte um Hilfe an die Dunkelelfen hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.«
Er schlug die Bettdecke zurück und erhob sich. Als er an sich herabblickte, bemerkte er, dass er nicht mehr seine Kleider trug. Stattdessen steckte er in einer dunkelgrünen Tunika mit goldgelber Borte an den Säumen, deren fein verarbeiteter Stoff einem wohlhabenden Kaufmann oder einem Adeligen zur Ehre gereicht hätte. Neria, die sein überraschtes Gesicht bemerkt hatte, lächelte.
»Dafür, dass wir ihre Gefangenen sind, behandeln die Dunkelelfen uns nicht schlecht. Deine Kleider waren so dreckig und blutverschmiert, dass man sie dir nicht wiedergeben wollte. Und mein Kleid ist an Bord der Suvare zurückgeblieben.«
Sie strich mit ihren flachen Händen über den Stoff der rostfarbenen Tunika, die sie trug.
»Kein schlechter Ersatz, nicht wahr? Wenn auch ein wenig ungewohnt. Ich habe so etwas noch nie angehabt.«
»Es ist wunderschön«, gab Enris zu. Seine Augen ruhten für einen Moment auf der hellen Haut ihrer Beine, die nun bis knapp über ihre Knie hin sichtbar war. Dann wurde ihm bewusst, dass er sie anstarrte. Schnell ließ er seinen Blick wieder wie beiläufig zu Jahanila gleiten. Ihn überkam das eigenartige Gefühl, dass sie seine Empfindungen für Neria genau gespürt hatte – und das nicht, weil sie ihn beobachtete. Es war eher so, als ob sie einen Blick in seinen Geist geworfen hätte. Hatte Arcad nicht gesagt, dass die Serephin so etwas könnten?
Mit dem entwürdigenden Gefühl, für die echsenartige Frau ein offenes Buch zu sein, trat er auf sie zu. Wenn sein Kopf auch klar war, so fühlte er sich immer noch schwach auf den Beinen. »Führe uns bitte zu den Antara. Wir wollten sie um Hilfe bitten. Aber sicher wisst Ihr das bereits.«
»Ich habe es vermutet. Folgt mir.«
Jahanila drehte sich um und schob einige der von der Decke herabhängenden Tücher zur Seite. Dahinter glitten zwei Türflügel nach rechts und links in die abgerundeten Wände zurück, die vorher nicht zu sehen gewesen waren.
Enris folgte der Serephinfrau mit Neria durch die Öffnung und sah sich neugierig nach allen Seiten um. Sie befanden sich in einem langen Gang mit abgerundeten milchig-weißen Wänden, der wie das Innere einer Röhre aussah. Im Vorbeigehen strich Enris mit seiner Handfläche über dessen Wand, doch er konnte nicht erraten, woraus sie bestand, außer, dass sie sich glatt und nicht metallisch anfühlte. Das Licht im
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