Runlandsaga - Wolfzeit
gefallen, da wett ich drauf«, murmelte sie leise, beinahe sanft. Dem jungen Mann neben ihr kam blitzartig der Gedanke, dass sie dies alles genoss. Sie wirkte nicht im Geringsten erschüttert durch die gequälten Schmerzensschreie.
»Aber sag mal: Wozu ist das Stück Fleisch zwischen deinen Beinen noch nütze, wenn wir dir die Flamme eine Weile woanders hingehalten haben?« An Enris gewandt, rief sie: »Zieh ihm die Hose runter! Ich halte ihn fest!«
Farran schrie. Er bäumte sich in seinen Fesseln auf, als ob ihn bereits die Öllampe verbrennen würde, und das so heftig, dass es Suvare schwerfiel, ihn weiter gegen die Wand gedrückt zu halten.
Enris hatte ihn losgelassen. Unschlüssig starrte er Suvare an, und er war sich nicht mehr so sicher, dass ihnen gelingen würde, was sie vorhatten. Es hatte alles so leicht gewirkt: Sie würden den Piraten hart rannehmen, und seine Widerspenstigkeit brechen. Aber es lief überhaupt nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Kerl gab einfach nicht nach.
»Jetzt mach schon!«, forderte Suvare ihn auf. Noch immer zögerlich griff er nach den Hosenbeinen des Gefangenen. Kaum hatte er den Stoff zwischen seinen Händen, als er die Stimme des Piraten vernahm, ein gepresstes Murmeln, als hätte ihn der Schmerz über seine verbrannte Hand übermannt. »Merkst du nicht, wie ... wie sie dich in der Hand hat? Euch alle? Die ist doch verrückt!« Die Heftigkeit, mit der er die letzten Worte ausspie, ließ Enris zusammenfahren.
»Hör nicht auf ihn!« Suvare sah ihn eindringlich an. »Er versucht noch immer, seine Spielchen zu spielen. Bis zuletzt.«
Farrans Keuchen verwandelte sich in etwas, das einem bitteren Lachen ähnelte. Er hatte jetzt seinen Widerstand völlig aufgegeben. Sein Körper fühlte sich schlaff an, dennoch drückten Enris und Suvare ihn weiterhin fest gegen die Bordwand. Sie fühlten nichts weiter als ein schwaches Zittern, das mit dem Lachen des Piraten einherging und endete, als auch er wieder ruhiger wurde. »Sieht das so aus, als würde ich mit dir spielen, Junge?«, stieß er hervor. »Wer spielt hier mit wem?«
»Halt´s Maul!«, herrschte Suvare ihn an.
»Oder was?«, gab Farran zurück. Seine Stimme hatte wieder etwas an Kraft gewonnen. Laut hallte sie durch das finstere Deck. »Hilf mir, Junge!« Er versuchte, seinen Kopf so zu drehen, dass er Enris anblicken konnte, aber es gelang ihm nicht. »Lass nicht zu, dass sie mich umbringt! Du willst das hier doch nicht. Sie will es, sie will es unbedingt, aber du doch nicht! Und später wird es dir leid tun, aber dann wird es zu spät sein!«
Er setzte zu einem weiteren Satz an, aber Suvare schlug ihm erneut mit ihrer Faust in den Rücken. Farran schrie auf und verstummte.
Enris starrte Suvare fassungslos an. Sie blickte unverwandt zurück. Im trüben Schein der Öllampe sprühten ihre Augen zornige Blitze. »Los jetzt, Enris! Ich brauche dich, ich schaff das nicht allein! Hör nicht auf sein Geschwätz! Soll der Tod von Eivyn und Arcad umsonst gewesen sein?«
Enris’ Magen krampfte sich zusammen. Er wollte das alles nicht! Wie viel lieber hätte er sich in diesem Moment an Land befunden – mit Torbin oder Teras vor einem Krug Bier in einer der Tavernen im Hafen, auf Menelons Straßen im wilden Treiben der Vellardinnacht, selbst zwischen den verkohlten Überresten der Häuser von Andostaan wäre er in diesem Augenblick lieber gewesen als im Bauch der Suvare .
Das laute Knarren einer Planke direkt hinter ihnen schnitt seine Gedanken ab. Er fuhr herum und bemerkte gerade noch eine kleine Gestalt, halb verborgen hinter einer breiten Holzkiste. Blitzschnell zog sie sich in die Schatten zurück, aber Enris hatte bereits genug gesehen.
»Themet! Zeig dich!«
Auch Suvare hatte sich inzwischen umgewandt. Zögernd trat der Junge in den schwachen Lichtkreis der Lampe. Er blickte keinen der beiden an, sondern starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den gefangenen Piraten, den Enris und Suvare am Boden hielten.
»Wie kommst du hierher?«, rief Enris. Seine Hände hielten noch immer Farrans Beine gepackt, doch für den Moment hatte er das vergessen.
»Ich wollte nicht in der Stadt übernachten«, murmelte Themet. Erst jetzt sah er Enris in die Augen. »Also bin ich zurück zum Schiff. Ich hab Mirka gefragt, ob er mitkommt, aber der hatte keine Lust.«
Enris war zu überrascht, um etwas darauf zu entgegnen.
An seiner Stelle reagierte Farran. »Hilfe!« brüllte er. »Bitte, tut mir nichts! Ich ...«
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