Runterschalten
gerade ein paar Jahre alt, ausgezählt, es lebe die Familie. Nachhaltigkeit wird gefordert, dabei hatten wir uns gerade an die Ex-und-hopp-Mentalität gewöhnt.
Versteht den permanenten Wechsel überhaupt noch jemand? Oder sind wir alle inzwischen zu einer Schar achselzuckender Einzelgänger geworden, die die gesellschaftliche Entwicklung im Fernsehen als „Infotainment“ konsumiert, aber nicht mehr mitträgt? Ist das „gelebter“ Wandel oder vielmehr medial vermittelter Wandel, der große Teile der Bevölkerung zu teilnahmslosen Zaungästen macht? Oder beides?
Sicher ist jedenfalls, dass nichts sicher ist. Weder die Renten, noch familiäre oder private Beziehungen, noch der Arbeitsplatz, auch nicht die Religion. Die klassischen Orientierungsgeber sind abhanden gekommen, der moderne Mensch befindet sich auf Dauersuche, nicht nach dem heiligen Gral, sondern nach individueller Erfüllung.
Und damit sind wir bei unserem Thema, denn genau darum geht es beim Runterschalten: Wissen, was man will und es tun. Selbstbestimmt leben und arbeiten, eigene Ziele ansteuern. Der Schlüssel dazu ist eine eigene Urteilskraft. Genau damit kann es unter Echtzeitbedingungen jedoch hapern: Zum Sich-selbst-Kennen scheint kaum Zeit zu sein, und überdies gibt es so viele Schablonen-Leben, denen wir nacheifern können … wozu dann noch etwas Eignes machen?
Schatzsuche – mit Effizienz zum Traumpartner
Der Mensch des 21. Jahrhunderts ist flexibel. Er hält sich dort auf, wo seine Arbeit ist, die Arbeit hat oberste Priorität. Erst an zweiter Stelle kommt die Beziehungsebene – meistens finden die modernen High-tech-Nomaden ihre Partner bei der Arbeit oder im Internet. Du wohnst in Berlin, ich in München, macht nichts. „Living apart forever“ lautet das Motto, das gegenwärtige Beziehungsmuster be- und vorschreibt. Wir sind mobil, wir jetten hin und her, Du hast Deine Wohnung, ich hab meine. Die Kosten dafür tragen wir gern, denn so sichern wir unsere „individuelle Autonomie“, wie laut Bundesfamilienministerium 86 Prozent der Beziehungspendler sagen. Wir sind ja allzeit verbunden, über die technologische Nabelschnur Email, SMS und Mobiltelefon. Liebesbriefe? In welchem Jahrhundert lebst Du denn? „Bin gleich da, Schatz“ säuseln und simsen tausende Reisende täglich übers Handy. Ein digitaler Liebesheld ist absolut einzigartig, ein Schatz eben.
Die Schatz-Suche ist allerdings harte Arbeit, aber was sein muss, muss sein. Wir suchen nicht nur den Traumjob, sondern auch den Traumpartner. Erst der komplettiert unseren Wert. Die Liebe des Lebens muss her, und ein ganzer Dienstleistungsmarkt hat sich auf die vermutete Not der Singles spezialisiert. Die Nachfrage nach Unterstützung in jeglicher Form ist groß, der Fachbuchmarkt antwortet darauf mit Titeln wie „Flirtprofi meistert alle fünf Stufen“, die da lauten: Kennen lernen, Verabreden, Wieder-Verabreden, erster Kuss, Sex. Ein Leistungskurs mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad und wachsender Gratifikation, einfach zu lesen und nachzukochen.
Speed-Dating für einsame Herzen
Für unsere Schatzsucher muss so ein Rezeptkurs vor allem eins: schnell gehen und zum Ziel führen. Wer will schon Zeit verlieren mit ineffizienten Erfahrungen. Auch Partneragenturen haben diesen Markt erschlossen, „Speed-Dating“ heißt die Losung. Wie in einem Bewerbungsverfahren wird ein Profil vom Wunschpartner erstellt, die Agentur trifft eine Vorauswahl. Gottesfügung oder Schicksalsmacht derLiebe? Haken Sie's ab. Hier haben alle eine Ausstechform für ihr Traumpartnerplätzchen. Ein Saal einsamer Herzen „mit vorhersagbar hoher Trefferquote“ trifft sich gleichzeitig, man hat fünf bis sieben Minuten „Zeit zum Kennen lernen“. Ein Glöckchen beendet das tête-à-tête. Bei Gefallen gibt's eine Verabredung, bei Nicht-Gefallen allerdings keine Geld-Zurück-Garantie. Die Stationen der Liebe werden auf Echtzeitintervalle verkürzt. Sparen wir uns das, wichtig ist, was nachher kommt: echte Gefühle, vielleicht. Bei Flirtportalen im Internet kann man sich sogar die erste Phase, den Flirt in seiner analogen Form ersparen. Geflirtet wird digital, und wieder fällt ein unerwünschter Nebeneffekt des Kennenlernens weg: Rot zu werden, rumzustottern, doof zu grinsen – im Netz sind wir alle Supermänner- und Frauen, einander nah, aber nicht greifbar. Sofortvertrauen ersetzt wachsende Strukturen.
Kochen statt Sex
Wie geht die Geschichte unserer Schatzsucher weiter, nachdem sie sich dem
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