Rushdie, Salman
Kehle Feuer brüllst,
kommt noch jemand mit einem Schlauch angerannt. Für meinen Geschmack gibt es
hier sowieso schon zu viel Wasser. Höchste Zeit zu verschwinden.» - «Warte eine
Sekunde», sagte Luka trotz seiner Müdigkeit. «Vielleicht haben wir ja genau
dich gesucht. Dein Licht leuchtet so schön», setzte er noch hinzu, weil er
sich dachte, ein bisschen Schmeichelei könne nicht schaden. «Bist du
vielleicht, ist dies, könntest du ... ein Träger des Lebensfeuers sein?»
«Kein Wort
darüber», warf Nobodaddy rasch ein, aber es war schon zu spät.
«Woher
weißt du vom Lebensfeuer?», fragte der Feuerkäfer zornig. Dann richtete sich
sein Verdruss gegen Nobodaddy. «Und Sie sollten, wenn ich mich nicht irre,
ganz woanders sein und ganz was anderes tun.»
«Wie du
siehst», sagte Nobodaddy zu Luka, «haben die Feuerkäfer ein etwas feuriges
Temperament. Dennoch erfüllen sie eine kleine, wenn auch recht nützliche Funktion,
indem sie Wärme verbreiten, wo immer sie sind.» Bei diesen Worten flammte der
Feuerkäfer lichterloh auf. «Wisst ihr, was meine Wut wirklich entfacht?»,
fragte er entrüstet. «Kein Mensch redet freundlich übers Feuer. Ach, im Kamin
ist es schön, sagen die Leute, und es sorgt im Zimmer für eine angenehme Wärme,
aber man muss es im Auge behalten, sonst gerät es schnell außer Kontrolle, und
immer ausmachen, ehe man geht. Selbst wenn es noch so notwendig gebraucht wird:
ein paar Waldbrände, der ein oder andere Vulkanausbruch, und schon ist der gute
Ruf dahin. Wasser hingegen! - Ha! - Wasser wird wirklich über den grünen Klee
gelobt. Wolkenbrüche, Rohrbrüche, Überschwemmungen, macht alles nichts.
Wasser ist jedermanns Liebling. Man nennt es sogar den Quell des Lebens! - Pa!
- Also, das erzürnt mich ohne Ende.» Der Feuerkäfer zerbarst kurz in eine
kleine Wolke wütender, herumschwirrender Funken, ehe er sich wieder
zusammensetzte. «Quell des Lebens, dass ich nicht lache», zischte er. «Was für
ein Gedanke. Das Leben ist doch kein Tropf. Das Leben ist eine Flamme. Was
glaubst du denn, woraus die Sonne besteht?
Aus Regentropfen? Bestimmt nicht. Das Leben ist nicht Wischiwaschi, junger
Mann. Leben brennt.»
«Wir
müssen los», mischte sich Nobodaddy ein und trieb Luka, Bär und Hund zum
Flussufer. An den Feuerkäfer gewandt, sagte er höflich: «Leb wohl,
Glitzergeist.»
«Nicht so
hastig», fauchte der Feuerkäfer. «Hier schwelt doch was unter der Oberfläche,
das spüre ich. Jemand, jenes Individuum nämlich», sagte er und deutete mit
einem kleinen Flammenfinger auf Luka, «hat etwas über ein gewisses Lebensfeuer
gesagt, dessen bloße Existenz geheim sein sollte, und jemand anderes, ich
selbst nämlich, hätte gern gewusst, wie jener Jemand davon erfahren hat und
was er nun zu tun gedenkt.»
Nobodaddy
stellte sich zwischen Luka und das Feuerwesen. «Das reicht, kecker Käfer»,
sagte er in deutlich strengerem Ton. «Fort mit dir! Glimm und verglüh!» Er nahm
den Panamahut ab und versuchte damit, das irisierende Insekt zu verscheuchen.
Beleidigt loderte der Feuerkäfer auf. «Unterschätzt mich niemals», rief er.
«Wisst ihr nicht, dass ihr mit dem Feuer spielt?» Dann blähte er sich zu einer
weiß glühenden Wolke auf, sengte Lukas Augenbrauen an und verschwand.
«Tja, das
macht die Sache nicht gerade leichter», sagte Nobodaddy. «Fehlt nur noch, dass
dieser hitzköpfige Flattermann den Feueralarm auslöst.»
«Feueralarm?»,
fragte Luka. Nobodaddy schüttelte den Kopf. «Wenn die wissen, dass wir kommen,
ist der Ofen aus, mehr wollte ich nicht sagen.»
«Klingt
nicht gut», erwiderte Luka und sah so niedergeschlagen drein, dass Nobodaddy
ihm tatsächlich den Arm um die Schulter legte. «Die gute Nachricht aber lautet:
Feuerkäfer leben nicht lang», tröstete er seinen jungen Gefährten. «Sie lodern
hell, verglühen schnell und verwehen im Wind, mal hierhin, mal dorthin, so ist
eben ihre Natur. Keine Zielstrebigkeit. Also scheint es mir höchst
unwahrscheinlich, dass er seine Warn...», doch da verstummte Nobodaddy.
«Wen
wollte er denn warnen?», hakte Luka nach.
«Die
Mächte, die nicht gewarnt werden sollten», erwiderte Nobodaddy. «Die
flammenspeienden Monster und irren Feuerteufel, die uns flussauf erwarten. Die,
an denen du vorbeikommen musst, wenn du nicht scheitern willst.»
«Ach»,
knurrte Luka. «Und das ist alles? Ich dachte schon, wir hätten ein ernstes
Problem.»
*
Auf dem
Zeitfluss, der ruhig dahinströmte, als Luka ihn zum
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