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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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der Sicherheit,
junger Spund, ist eine undankbare Aufgabe, das lass dir gesagt sein, dennoch
muss für Sicherheit gesorgt werden. Nein, sie ist kein Trick. Sicherheit ist
eine Last, und mir wurde sie auferlegt. Zum Glück bin ich nicht allein, und ein
treuer Feuerkäfer» - im selben Moment entdeckte Luka die kleine Petzeflamme,
die über Aags Schulter schwebte - «hat brandeilig sämtliche Hindernisse und
Sperren überwunden, nur um mir mitzuteilen, dass sich Diebe auf den Weg hierher
gemacht haben. Solch heldenhafte Tat eines Feuerkäfers gelingt so wenig mit
faulem Zauber und Taschenspielertricks, wie man damit einen Feuerkäfer selbst
erschaffen könnte. Nein, dieser Käfer ist ein Kind wahrer Tugend. Und auch der
mörderische, schreckliche Drache Nuthog ist keine heraufbeschworene Illusion -
wie ihr gleich merken werdet.»
    Dieser Aag
war ein Mann des Zorns und der Haare, dessen hennagefärbte Locken sich um
seinen Kopf ringelten wie ein Gezücht zorniger, karottenroter Schlangen, ein
Mann zudem mit einem gewaltigen rostroten Bart, der wie die Strahlen einer
übellaunigen Sonne in sämtliche Himmelsrichtungen wucherte, ein Mann mit
widerborstigen, scharlachroten, buschigen Augenbrauen, die sich über einem Paar
schwarzer, funkelnder Augen auswärts- und aufwärtskrümmten, während sich aus
seinen fleischigen Ohren zwei lange, steife, karmesinrote Büschel
korkenzieherförmig emporkringelten. Blutrotes Haar spross aus Aags Hemdkragen
und lugte aus den Ärmeln seines Piratenmantels hervor, und Luka malte sich
aus, dass ein solch überreicher Wuchs vermutlich den ganzen Körper des Captains
bedeckte, als wäre sein Leib ein fruchtbarer Acker und Haar das Einzige, was
darauf angebaut wurde. Soraya, selbst eine flammenhaarige Person, flüsterte
Luka ins rechte Ohr, sie fürchte, der gute Ruf aller Rothaarigen könne unter
diesem krausen Haarexzess des Großmeisters leiden.
    Das Haar
war Aags sichtbar gewordener Zorn. Luka erkannte es daran, wie es wallte und
wogte und sich ihm gleich einer geballten Faust wütend entgegenreckte. Doch
warum nur war er so zornig? Natürlich gab es da die nicht unerhebliche
Kleinigkeit, dass durch Lukas Fluch sein Zirkus aufgelöst worden war, doch
erstens musste der Zirkus für Captain Aag, den Torhüter der magischen Welt,
nur ein belangloser Zeitvertreib in der Realität gewesen sein, und zweitens
war sein Haar offenbar schon seit viel, viel längerer Zeit gewachsen, weshalb
Captain Aag folglich auch sein Leben lang zornig gewesen sein musste -
beziehungsweise seit Anbeginn aller Tage, sollte er denn zufällig auch
unsterblich sein.
    «Sein
ursprünglicher Name lautet Menetius», flüsterte Nobodaddy in Lukas linkes Ohr,
«und er war einst der Titan der Wut, bis die Gottkönige die Geduld mit seiner
ewigen Bärbeißigkeit verloren, ihn mit einem Blitz niederschmetterten und
hinab in die Unterwelt schleuderten. Irgendwann erlaubte man ihm dann die
Rückkehr, damit er dieses niedere Amt ausübt - schließlich ist er kaum mehr als
ein Türsteher -, doch heute scheint er mir besonders übler Laune zu sein.»
    Die sieben
Geier schwebten aufgereiht über Aag und dem Drachen, wie Gäste bei einem
Bankett, die auf ihr Festmahl warten. Einen Moment lang schien Aag allerdings
eher zu Scherzen aufgelegt zu sein. «An Orten wie etwa der realen Welt», sprach
er vom Rücken des Drachen herab, als redete er mit sich selbst, ließ dabei den
Blick in die Ferne schweifen und setzte eine nachdenkliche Miene auf,
«begegnet man gelegentlich solch schrecklichen Kreaturen wie dem Yeti, Bigfoot
oder dem Unerträglich Unangenehmen Kind, die ich Monster im
Raum nenne. Sie sind, wie sie sind, mehr aber auch nicht,
nämlich unveränderlich und daher stets gleich. Hier hingegen, wo ihr nichts zu
suchen habt und bald auch nicht mehr sein werdet, sind unsere Monster auch Monster in
der Zeit, das heißt, sie können nacheinander eine ganze Reihe von Ungeheuern
sein. Meine Nuthog hier heißt eigentlich Jaldibadal und ist ein magisches
Chamäleon: Wenn der Drachendame der Sinn danach steht, wird die alte Jaldi zu
einer wahren Verwandlungskünstlerin, obwohl sie meist nur ein träger Nichtsnutz
ist. Nun, Nuthog, warum zeigst du uns nicht, wer du wirklich bist? Schließlich
haben wir es nicht eilig damit, sie im Drachenfeuer brutzeln zu sehen. Und die
Geier können auch noch ein wenig auf ihr Mittagessen warten.»
    Nuthog,
der Drache - oder vielmehr Jaldibadal, die Gestaltwandlerin -, ließ einen Laut
hören, der

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