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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Frauen, die ihm entgegenkamen, waren schöner als die
Schönheit selbst, sie waren so schön, dass sie die Bedeutung des Wortes neu definierten und das, was Männer
bislang für schön gehalten hatten, auf den Platz fadester
Gewöhnlichkeit verwiesen. Ein Duft wehte vor ihnen her
die Treppe herab und umhüllte sein Herz. Die erste Frau
war einen Hauch lieblicher als die zweite, wenn man aber
ein Auge schloss und die erste Gestalt ausblendete, war
die zweite die größte Schönheit auf Erden. Warum nur
sollte man das tun? Warum das Außergewöhnliche fortblenden, bloß damit das Herausragende besser zur Geltung kam?
«Verdammt, Machia», flüsterte er leicht schwitzend. Der
Überdruck seiner Gefühle presste diesen ersten Fluch
nach einer langen Zeit über die Lippen, in der er dem
Fluchen völlig abgeschworen hatte; der Sack mit den
toten Drosseln fiel ihm aus der Hand. «Ich glaube, ich
habe gerade den Sinn des Lebens wieder entdeckt.»
17. Der Herzog hatte seinen Palast verschlossen…
    Der Herzog hatte seinen Palast verschlossen, weil er eine
Invasion der zügellosen Menge fürchtete, denn die Stadt
war in jenen Tagen nach der Wahl des ersten Medici zum
Papst einem Taumel anheimgefallen, der einer Gewaltorgie glich. «Wie die Narren führten sich die Menschen
auf», sollte Argalia später Il Machia erzählen, «ohne jeden Respekt vor Alter oder Geschlecht.» Unaufhörlich
und ohrenbetäubend ertönte der Lärm der Gloria schlagenden Kirchenglocken, und die Freudenfeuer drohten,
ganze Stadtviertel zu vernichten. «Im Mercato Nuovo»,
berichtete Argalia, «rissen junge Halbstarke Bretter und
Planken von Seidengeschäften und Banken. Und als die
Behörden endlich einschritten, hatte man selbst das Dach
des Hauses der Tuchzunft, der alten Calimala, abgerissen
und verbrannt. Sogar oben auf dem Campanile von Santa
Maria deI Fiore soll ein Freudenfeuer geleuchtet haben.
Dieser Unsinn währte drei Tage.» Lärm und Rauch erfüllten die Straßen. In jeder Gasse wurde auf natürliche
wie widernatürliche Weise Unzucht getrieben, doch
nahm niemand daran Anstoß. Abend für Abend zogen
Ochsen einen mit Girlanden geschmückten Siegeskarren
von den Gärten der Medici an der Piazza San Marco zum
Palazzo Medici in der Via Larga. Vor dem verrammelten
Palast sang die Bürgerschaft Lieder zum Lobe von Papst
Leo X. und setzte dann den Karren mitsamt Blumen in
Brand. Aus den oberen Fenstern des Medici-Palastes
warfen die neuen Herrscher Gaben unters Volk, an die
zehntausend Golddukaten sowie zwölf große Silbertuchservietten, die von den Florentinern in Stücke gerissen
wurden. In den Straßen der Stadt gab es für jedermann
volle Weinfässer und Brotkörbe. Gefangene wurden begnadigt, Huren wurden reich, und männliche Nachkommen wurden nach Herzog Giuliano und seinem Neffen
Lorenzo oder nach Giovanni benannt, der zu Leo geworden war; weibliche Kinder taufte man nach den hohen
Frauen der Familie auf die Namen Laodamia oder Semiramide.
Zu diesem Zeitpunkt war es unmöglich, die Stadt mit
hundert Bewaffneten zu betreten, um eine Audienz bei
Herzog Giuliano wahrzunehmen, denn in den Straßen
wurde immer noch gefeiert, Brandstifter trieben ihr Unwesen. Argalia zeigte den Wachen am Stadttor seine Papiere und vernahm mit Erleichterung, dass seine Ankunft
erwartet worden sei. «Ja, der Herzog wird Euch empfangen», sagten sie, «aber bitte, habt Verständnis dafür, dass
es nicht gleich sofort sein kann.» Bis zum vierten Tag, an
dem das Fest der Florentiner für den Papst langsam an
Schwung verlor, kampierten daher die Janitscharen vor
den Stadtmauern. Doch selbst dann durfte Argalia die
Stadt noch nicht betreten. «Rechnet heute Abend», sagte
der Anführer der Wache, «nach Einbruch der Dunkelheit
mit hochstehendem Besuch.»
Argalia wusste wie eine Frau zu lieben und wie ein Mann
zu morden, doch war er nie zuvor einem Herzog der Medici in all seinem Pomp gegenübergetreten. Als aber Giuliano de’ Medici an jenem Abend mit einer Kapuze über
dem Kopf in sein Lager ritt, wurde Argalia auf Anhieb
klar, dass der neue Herrscher von Florenz ein Schwächling war, übrigens ebenso wie der junge Neffe, der an
seiner Seite ritt. Papst Leo war bekannt als ein Mann der
Macht, als ein Medici der alten Schule, Erbe der Autorität von Lorenzo dem Prächtigen, seinem Vater. Wie
musste es ihn bekümmern, dass er Florenz der Obhut
dieser zweitklassigen Knallchargen anvertraut hatte!
Kein wahrer

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