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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Sturm einen Baum,
doch Spiegel nahm sie in die Arme, bis das Unwetter
vorüber war. Sie sank aufs Bett, und Spiegel lag an ihrer
Seite und hielt sie, umklammerte Qara Köz’ Bizeps, hielt
sie nicht wie eine Frau eine Frau, sondern wie ein Mann.
Qara Köz hatte gelernt, dass es ihre Macht über Männer
war, die es ihr erlaubte, die Reise ihres Lebens selbst zu
bestimmen, nur wusste sie auch, dass sie diesen Akt der
Selbstbestimmung mit einem großen Verlust bezahlte.
Die Kunst der Verzauberung hatte sie zur Vollendung
gebracht, sie hatte die Sprachen der Welt gelernt, war
Zeugin der größten Ereignisse ihrer Zeit geworden, aber
sie war ohne Familie, ohne Verwandtschaft, ohne jenen
Trost, der ihr geblieben wäre, hätte sie gegebene Grenzen
nicht überschritten, um in der Obhut des Bruders zu bleiben, dort, wo man ihre Sprache sprach. Es war, als
schwebte sie hoch über dem Boden, schwebte durch reine
Willenskraft, müsste zugleich aber fürchten, der Zauber
könne jederzeit gebrochen werden, und sie würde zurück
zur Erde stürzen.
Die wenigen Neuigkeiten, die sie über ihre Familie erfuhr, verwahrte sie in ihrem Herzen und mühte sich,
mehr Bedeutung aus ihnen herauszupressen, als sie
enthielten. Schah Ismail war der Freund ihres Bruders
Babar gewesen, und die Osmanen besaßen eigene Wege,
auf denen sie erfuhren, was in der Welt geschah. Daher
wusste sie, dass ihr Bruder lebte, dass ihre Schwester zu
ihm gefunden hatte und dass ein Kind - Nasiruddin Humayun geboren worden war. Doch ansonsten schien
nichts gewiss. Ferghana, das Königreich ihrer Vorfahren,
galt als verloren und würde vielleicht nie zurückgewonnen werden. Babar hatte sein Herz an Samarkand gehängt, aber obwohl Shaibani Khan, Lord Wurmholz, besiegt und tot war, schienen die Truppen der Moguln jene
fabelhafte Stadt nie für längere Zeit halten zu können.
Also war auch Babar heimatlos, Khanzada war heimatlos, und nirgendwo auf Gottes weiter Welt besaß die Familie eine dauerhafte Bleibe. Vielleicht war es das, was
es hieß, Mogul zu sein, herumzuziehen, zu plündern,
erfolglos zu kämpfen, auf andere angewiesen und verloren zu sein. Einen Moment lang packte sie die Mutlosigkeit, doch gleich darauf schüttelte sie dies Gefühl auch
schon wieder ab. Moguln waren keine Opfer der Geschichte, sondern ihre Macher. Ihr Bruder, dessen Sohn
und der Sohn, der nach ihm kam:
Welch Königreich würden sie dereinst zum Ruhm der
ganzen Welt errichten! Sie wünschte es sich, sah es voraus, ließ das Reich allein durch ihr Drängen Wirklichkeit
werden. Und sie würde es genauso halten, würde gegen
unglaubliche Widerstände in dieser fremden Welt ihr
eigenes Königreich errichten, denn auch sie war zum
Herrschen geboren. Sie war eine Mogulin und daher
ebenso furchterregend wie nur irgendein Mann. Ihr Wille
war der Aufgabe gewachsen. Leise, nur so vor sich hin,
sagte sie auf Tschagatai die Verse Ali-Shir Nava’is.
Tschagatai war ihre Muttersprache, ihr Geheimnis, ihre
Verbindung zu dem wahren, im Stich gelassenen Ich,
ersetzt durch ein selbstgeschaffenes Ich, das aber natürlich Teil des neuen Ichs sein würde, das Grundgestein,
sein Schwert und Schild. Nava’i, der «Klagende», der
einstmals in einem fernen Land für sie gesungen hatte:
Qara ko’mm, kelu mardumlug’ emdi fan qilg’il. Kommt,
Qara Köz, und erweist mir Eure Liebenswürdigkeit. Eines Tages würde ihr Bruder über ein Weltreich herrschen, und sie kehrte im Triumph als eine Königin heim.
Oder die Kinder ihres Bruders begrüßten ihre eigenen
Kinder. Blutsbande ließen sich nicht durchtrennen. Sie
hatte sich neu geschaffen, doch was sie gewesen war,
würde sie bleiben, und sie und ihre Kinder würden auch
in Zukunft Anspruch auf ihr Erbe stellen können.
Die Tür öffnete sich. Der Mann kam herein, ihr Tulpenprinz.
Er hatte gewartet, bis nächtliche Ruhe ins Haus einkehrte, und jetzt kam er zu ihr, zu ihnen. Die Dunkelheit wich
nicht von ihr, rutschte aber beiseite und machte im Bett
Platz für ihren Geliebten. Spiegel, die spürte, wie sie sich
entspannte, gab sie frei und kümmerte sich um Argalias
Kleider. Morgen würde er in die Stadt reiten, und bald,
sagte er, bald würde alles arrangiert sein. Sie ließ sich
nicht täuschen. Sie wusste, morgen würde es entweder
gut oder, wenn nicht gut, sehr schlecht ausgehen. Morgen
Abend könnte er schon tot sein, und dann würde sie als
Überlebende ein weiteres Mal wählen müssen. Doch heute

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