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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Machia war auf der Stelle davon überzeugt, dass
seine Frau im Banne eines Zaubers gefangen sein musste,
und merkte, wie ihm die Worte «ausländische Hexen» in
den Sinn kamen, doch dann erinnerte er sich an das
Sprichwort vom geschenkten Gaul, verdrängte alle weiteren Überlegungen und erfreute sich seines Glücks. Mit
Ago im Schlepptau machte er sich in der nächsten halben
Stunde auf den Weg, vom Serben Konstantin und einer
Abteilung Wachen in diskretem Abstand gefolgt, um die
junge Prinzessin und ihre Dienerin in den Eichenwald
seiner Kindheit zu begleiten. «Hier», erzählte Ago, und Il
Machia sah ihm an, dass er sie auf seine er-bärmliche
Weise zu beeindrucken suchte, «habe ich einmal eine
Alraune gefunden, diese magische, sagenumwobene
Wurzel, jawohl, die habe ich gefunden. Da drüben irgendwo!» Schwungvoll blickte er sich um, wusste aber
nicht, in welche Richtung er zeigen sollte. «Ach nein,
eine Alraune?», erwiderte Qara Köz in ihrem makellosen
florentinischen Italienisch. «Seht doch, dort drüben
scheint mir ein ganzes Beet dieser lieblichen kleinen
Dinger zu sein.»
Und ehe man sie aufhalten konnte, ehe man ihnen warnend zurufen konnte, dass sie sich die Ohren mit Erde
zustopfen mussten, bevor sie derlei versuchen konnten,
eilten die beiden Damen zu dem Gewirr dieser unmöglichen Pflanzen und zogen sie mitsamt den Wurzeln heraus. «Ihr Geschrei», kreischte Ago aufgeregt mit nutzlos
flatternden Händen. «Hört auf! Hört auf! Davon wird
man verrückt! Oder taub! Oder wir müssen alle … »
«Sterben» hatte er sagen wollen, doch schauten die beiden Frauen ihn nur verwirrt an, eine entwurzelte Alraune
in jeder Hand, und kein tödliches Geschrei war zu hören.
«In Übermaßen genossen, sind sie natürlich giftig», sagte
Qara Köz nachdenklich, «doch braucht man deshalb keine Angst zu haben.»
Als die beiden Männer begriffen, dass sie in Gegenwart
von Frauen waren, für die Alraunen klaglos ihr Leben
gaben, staunten sie nicht schlecht. «Tja, nur probiert sie
bitte nicht an mir aus», stammelte Ago in dem Versuch,
die gerade gezeigte Furcht vergessen zu machen, «sonst
werde ich Euch auf immer lieben oder doch so lange, bis
einer von uns beiden stirbt.» Mit diesen Worten stieg
eine tiefe Röte in ihm auf, zog sich bis hinab unter den
Hemdkragen und tauchte selbst jenseits der Manschetten
wieder auf, weshalb sich sogar die Farbe seiner Hände
änderte, was natürlich nur bewies, dass er längst hoffnungslos und auf immer den beiden Damen ergeben war.
Es brauchte keine magische Pflanzenkraft mehr, um seine Liebe zu entfachen.
    Als Argalia schließlich mit seinen Schweizer Riesen zurückkehrte, um Qara Köz in ihr neues Heim, den Palazzo
Cocchi del Nero, zu geleiten, hatte sie bereits das gesamte Dorf Sant’ Andrea in Percussina bis auf den letzten
Mann, die letzte Frau, das letzte Kind in ihren Bann gezogen. Selbst die Hühner schienen glücklicher zu sein als
zuvor, jedenfalls legten sie mehr Eier. Dabei hatte die
Prinzessin eigentlich nichts getan, um die Bewunderung
in solchem Maße wachsen zu lassen, doch sie wuchs.
Während der sechs Tage ihres Aufenthalts im Haus der
Machiavelli ging sie mit Spiegel im Wald spazieren, las
Lyrik in diversen Sprachen, lernte die Kinder der Familie
kennen, freundete sich mit ihnen an und war sich auch
nicht zu fein, ihre Hilfe in der Küche anzubieten, ein Angebot, das Marietta allerdings ausschlug. Am Abend gefiel es ihr, mit n Machia in der Bibliothek zu sitzen und
sich von Niccolo einzelne Abschnitte aus den Werken
von Pico della Mirandola und Dante Alighieri vorlesen
zu lassen, auch manch einen Canto des epischen Gedichtes Orlando innamorato von Matteo Boiardo aus Scandiano. «Ach!», rief sie, als sie von den vielen Schicksalsschlägen der Heldin erfuhr. «Die arme Angelica! So viele
Verehrer und so wenig Macht, sich ihnen zu widersetzen
oder auch nur ihren Willen aufzuzwingen.»
Längst sang das ganze Dorf unisono ihr Lob. Der Holzfäller Gaglioffo bedachte Qara Köz und ihren Spiegel
nicht länger mit solch einem groben Ausdruck wie «Hexen» und sprach auch nicht mehr davon, sie «vögeln» zu
wollen, sondern redete über sie nur mit einer großäugigen, respektvollen Ehrfurcht, die es ihm offenkundig
nicht gestattete, von einer fleischlichen Beziehung mit
den beiden hohen Frauen auch nur zu träumen. Die Gebrüder Frosino, die Dorfgigolos, erklärten kühn, um Angelicas Hand anhalten zu wollen, da

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