Rushdie Salman
niemand genau
wusste, ob sie mit Argalia dem Türken wirklich ordnungsgemäß verheiratet war - sollte sich dies allerdings
bewahrheiten, willigten die beiden Müller ein, ihm in
dieser Angelegenheit keinesfalls in die Quere kommen zu
wollen -, doch für den Fall, dass beide Frauen noch ledig
seien, bekundeten sie ihr Interesse und gingen mit ihrer
brüderlichen Liebe gar so weit, sich bereit zu erklären,
sie und ihre Dienerin untereinander in regelmäßigem
Turnus zu tauschen, mal der eine, mal der andere. Niemand sonst war ganz so dämlich wie Frosino Uno und
Due, doch stand Qara Köz allgemein in hohem Ansehen,
und Frauen wie Männer erklärten, von ihr «verzaubert»
zu sein.
Doch falls dies Zauberei war, war es Zauberei der behutsams-ten Art. Alle Florentiner waren wohlvertraut mit
den raffgieri-gen Prozeduren der dunklen Zauberinnen
ihrer Zeit, den Anrufungen von Dämonen, um züchtige
Männer zu unzüchtigen Taten anzustacheln, dem Gebrauch von langen Nadeln und lebensechten Puppen, um
Widersacher zu quälen, der Fähigkeit, vernünftige Männer so weit zu bringen, dass sie Haus und Arbeit verließen, nur um ihre willigen Sklaven zu werden. Im Haus
von Il Machia war weder Qara Köz noch ihrer Dienerin
je anzumerken, dass die bei den Frauen Schwarze Künste
praktizierten, zumindest wurden gewisse Anzeichen nie
für problematisch gehalten. Hexen gingen gern in Wäldern spazieren, das war allgemein bekannt, doch die
Streifzüge von Qara Köz und Spiegel durch die heimischen Haine war nach Ansicht der ehrenwerten Leute
von Percussina kaum mehr als «charmant» zu nennen.
Die Kunde vom Vorfall mit den Alraunen verbreitete
sich kaum, und seltsamerweise fand Il Machia auch die
entsprechende Stelle nie wieder, noch bekamen Niccolo
und Aga die entwurzelten Pflanzen je wieder zu Gesicht,
weshalb es ihnen leichtfiel, sich zu fragen, ob das Vorgefallene tatsächlich stattgefunden hatte.
Hexen wird allgemein nachgesagt, ausgeprägt sapphischen Neigungen anzuhängen, doch niemand, nicht einmal Marietta Corsini, fand die Entscheidung der beiden
Damen, ein Bett miteinander zu teilen, sonderlich beunruhigend. «Ach was, sie wollen einfach nicht allein sein»,
erklärte Marietta ihrem Mann mit schwerfälliger Stimme,
und der nickte bedächtig, als stünde er unter der einschläfernden Wirkung des am Nachmittag allzu reichlich genossenen Weins. Was die berüchtigte Lüsternheit betraf,
die Hexen vorzugsweise mit dem Teufel selbst kopulieren ließ, nun, so waren in ganz Percussina einfach keine
Teufel zu finden, es stiegen auch keine aus dem Höllenschlund auf, um im Kamin ein meckriges Gelächter anzustimmen, noch hockten sie wie Wasserspeier auf dem
Dach der Taverne oder der Kirche. Dabei war es eine
Zeit der Hexenjagd, und in der Stadt konnte man vor Gericht Frauen hören, die sich zu den schändlichsten Taten
bekannten und gestanden, sich mit Hilfe von Wein,
Weihrauch, Monatsblut und aus Totenschädeln getrunkenem Wasser Herz und Verstand braver Bürger gefügig
gemacht zu haben. Doch obzwar es stimmte, dass jedermann in Percussina in Prinzessin Qara Köz verliebt
schien, war die derart ausgelöste Verehrung gänzlich
keuscher Natur - sah man vielleicht einmal von den
übermäßig unter ihrem Geschlechtstrieb leidenden Brüdern Frosino ab. Nicht einmal Ago Vespucci, dieses romantische Mondkalb, der sie lieben wollte, bis, wie er
gesagt hatte, einer von ihnen beiden starb, hegte zu jener
Zeit auch nur die geringste Hoffnung, tatsächlich ihr
Liebhaber werden zu wollen. Sie anzubeten war der
Freude genug.
Jene, die später die Geschichte der Zauberin von Florenz
auf-zeichneten und analysierten, allen voran Gianfrancesco Pico della Mirandola, Neffe des großen Philosophen Giovanni und Autor von La strega ovvero degli
inganni de, demoni, «Die Hexe oder die Irreführung der
Dämonen»,, kamen zu dem Schluss, dass der Pesthauch
der Faszination, den Qara Köz in Percussina verströmte
und der sich rasch in der ganzen Gegend bis hin nach San
Casciano und Val di Pesa ausbreitete, nach Impruneta
und Bibione, Faltignano und Spedaletto, dass dieses
Miasma also Folge eines absichtlich verhängten Zaubers
von ungeheurer Macht war, verhängt in der Absicht, die
eigenen Kräfte zu erproben ebenjene Kräfte, die sie später mit solch außerordentlicher Wirkung in und um die
Stadt Florenz selbst einsetzen sollte -, sowie um ihr den
Weg in eine ansonsten vielleicht feindselig gesinnte Umgebung zu
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