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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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sondern eine
Prinzessin aus dem königlichen Geblüt von Timur und
Temüdschin - also von Genghis Qan, den ihr Dschingis
Khan nennt -, und ich erwarte, meinem Rang gemäß angesprochen zu werden.»
Mongole! Mogor! Diese ruhmreichen, fremdländischen
Worte durchliefen die Menge und weckten ein fast erotisches Gemenge aus Erregung und Schrecken. Es war
Lorenzo de’ Medici, rot im Gesicht vor lauter Aufgeblasenheit, der aussprach, was manch einer fürchtete, womit
er Argalias Einschätzung bestätigte, dass es sich bei ihm
nur um einen eitlen, zweitklassigen Jungen handeln
konnte. «Was seid Ihr für ein Narr, Argalia», rief Lorenzo, «durch die Entführung dieser anmaßenden Tochter
der Mogoren bringt Ihr die Goldene Horde über uns.»
Mit ernster Miene erwiderte Argalia: «Das wäre wahrlich
eine außerordentliche Tat, besonders da es die Horde
nicht mehr gibt und ihre Macht auf immer vom Vorfahren ebendieser Prinzessin gebrochen wurde, von Tamerlan, und dies vor mehr als hundert Jahren. Außerdem,
meine Herren, habe ich niemanden entführt. Die Prinzessin war die Gefangene des Schahs Ismail von Persien,
und ich habe sie nach unserem Sieg in der Schlacht von
Chaldiran befreit. Sie kam aus freien Stücken mit und in
der Hoffnung, eine Brücke zwischen den großen Kulturen Europas und des Ostens schlagen zu können, wohl
wissend, dass sie viel von uns lernen kann, aber auch in
der Überzeugung, dass sie uns manches zu lehren vermag.»
Diese Erklärung fand das Wohlwollen der lauschenden
Menge die darüber hinaus mächtig von der Neuigkeit
beeindruckt war, dass ihr neuer Beschützer in jener schon
fast legendären Schlacht auf der Seite der Gewinner gestanden hatte -, und zahlreiche Jubelrufe zu Ehren der
Prinzessin wurden laut, die weitere Einwände in ihrer
Gegenwart unmöglich machten. Herzog Giuliano, der
geschickt seine Überraschung und sein Unbehagen zu
verbergen wusste, bat mit erhobener Hand um Ruhe.
«Wenn solch bedeutsamer Gast nach Florenz kommt, rief
er, «muss die Stadt sich von ihrer besten Seite zeigen -
und das wird Florenz auch tun.»
    Der Palazzo Cocchi del Nero barg einen der prächtigsten
grands salons der Stadt, einen acht Meter breiten und
nahezu zwanzig Meter langen Saal mit einer fast sieben
Meter hohen Decke, erhellt von fünf riesigen Bleiglasfenstern, ein Saal, in dem es sich auf das fürstlichste
feiern ließ. Das große Schlafzimmer, allgemein nur
Brautgemach genannt, an dessen vier Wänden ein reliefbedeckter Fries mit Bildern aus einem romantischen Gedicht von Antonio Pucci prangte, welches seinerseits auf
eine alte provenzalische Liebesgeschichte zurückging,
war ein Raum, in dem sich zwei (oder drei, Liebende
ganze Tage und Nächte vergnügen konnten, ohne je das
Bedürfnis zu verspüren, aufstehen oder aus dem Haus
gehen zu müssen. Dies war, mit anderen Worten, ein
Herrensitz, an dem Qara Köz sich wie eine der großen
Damen von Florenz hätte aufführen können, separat vom
gemeinen Volk, zugänglich nur für die vornehmsten Familien der Stadt. Doch die Prinzessin hatte nicht vor, ihre
Zeit auf diese Weise zu verbringen.
Es ließ sich nicht übersehen, dass sie und ihr Spiegel das
unverschleierte Leben genossen. Tagsüber ging die Prinzessin durch die dicht bevölkerten Straßen zum Markt
oder sah sich einfach die Sehenswürdigkeiten an und
mengte sich, mit Spiegel als Begleiterin und einzig dem
Serben Konstantin zum Schutz, auf eine Weise unter das
Volk, wie es vor ihr keine hohe Dame von Florenz je
getan hatte. Allein deshalb liebten sie die Florentiner.
«Simonetta Due» wurde sie anfangs genannt, Simonetta
die Zweite, doch als sich der Name verbreitete, den sie
und Spiegel wahlweise füreinander benutzten, wurde sie
zu «Angelica die Erste.» Man warf ihr Blumen vor die
Füße, wo immer sie hinging. Und allmählich beschämte
ihre Furchtlosigkeit die jungen Frauen aus gutem Hause
so sehr, dass sie sich ebenfalls vor die Tür trauten. Im
Bruch mit der Tradition kamen sie abends hervor, um zu
zweit oder zu viert durch die Straßen zu flanieren, zum
großen Entzücken der jungen Herren, die endlich guten
Grund hatten, den Bordellen fernzubleiben. Die Hurenhäuser leerten sich, und es begann der sogenannte Untergang der Kurtisanen. Der Papst in Rom, der den plötzlichen Wandel in der öffentlichen Moral seiner Heimatstadt zu schätzen wusste, fragte sich gegenüber Herzog
Giuliano, als der gerade einmal die Ewige Stadt besuchte,
ob

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