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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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erhitzte, um über die
hohen Dinge nachzudenken, nicht über so banale Ärgernisse wie Prinz Salim. Er meditierte erneut gegen Mittag
sowie am Abend und um Mitternacht, doch die Meditation in der Frühe gefiel ihm am besten. Musiker kamen,
um im Hintergrund leise religiöse Hymnen zu spielen,
aber oft scheuchte er sie fort und ließ sich von der Stille
umschmeicheln, einer Stille, die nur zur Dämmerung
vom Singen der Vögel unterbrochen wurde.
Manchmal - denn er war ein Mann mit vielerlei Gelüsten
-wurden seine hehren Betrachtungen von Frauenbildern
ge-stört: Bildern von tanzenden Mädchen, von Konkubinen, sogar von seinen königlichen Gattinnen. Früher hatten ihn meist Gedanken an Jodha abgelenkt, an seine
imaginäre Königin, ihre scharfe Zunge, ihre Schönheit,
ihr sexuelles Geschick. Er war kein vollkommener
Mensch, davon war er zutiefst überzeugt, doch hatte er
sie lange für die vollkommene Frau gehalten. Gefährtin,
Vertraute, im Bett eine Wildkatze, kein Mann konnte
sich mehr wünschen. Sie war sein Meisterwerk, zumindest hatte er das geglaubt, ein Fleisch gewordener Traum,
eine Reisende aus der Welt khaya~ der Phantasie, die er
über die Grenze in die Wirklichkeit gebracht hatte. In
letzter Zeit jedoch änderten sich die Dinge. Jodha besaß
nicht mehr die Macht, ihn in seinen Betrachtungen zu
stören. Statt ihrer suchte ihn eine andere Frau auf. Qara
Köz, Dame Schwarzauge, die verschwiegene Prinzessin:
Lange weigerte er sich, sie wahrzunehmen, weigerte sich
zu verstehen, in welche Richtung sein Herz gezogen
wurde, denn es führte ihn zu etwas Unmöglichem, einer
Leidenschaft, die niemals Erfüllung finden konnte, die -
in jeder Hinsicht dieses Wortes - unschicklich war. Ihn
verlangte es nach den Tönen der Zu-kunft, sie aber war
ein Echo ferner Vergangenheit. Vielleicht war es das,
was ihn verlockte, ihre nostalgische Schwerkraft, doch
sollte dies tatsächlich der Fall sein, war sie wahrlich eine
gefährliche Zauberin, die ihn zurück ins Gestrige zog und
folglich auch in jeder anderen Hinsicht zurückwarf, in
seinem Denken, seinem Glauben, seiner Hoffnung.
Sie wäre schlecht für ihn. Sie würde ihn ins Delirium
einer un-möglichen Liebe locken, und stand er erst einmal in ihrem Bann, würde er sich abwenden von der Welt
der Gesetze und der Tat, der Majestät und des Schicksals.
Vielleicht war sie in genau dieser Absicht ausgesandt
worden, und Niccolo Vespucci war ein Feind die Königinmutter Hamida Bano hing dieser Theorie an -, ein
Agent der christlichen Fremdwelt, aus der er schließlich
stammte, ein Attentäter mit dem Auftrag, ihn zu vernichten, indem er dieses unzüchtige Weib in seine Gedanken
pflanzte, diese entwurzelte Überläuferin. Niemand vermochte Sikri durch Waffengewalt einzunehmen, doch die
verschwiegene Prinzessin könnte ihn womöglich von
innen heraus besiegen. Sie war schlecht für ihn. Und
doch war sie es, die immer häufiger zu ihm kam, und es
gab Dinge, die sie verstand, Jodha aber nie begriffen hatte. Zum Beispiel verstand sie Stille. Wenn die verschwiegene Prinzessin zu ihm kam, sagte sie kein Wort.
Es war nicht ihre Art, ihn zu schelten oder zu necken. Sie
redete nicht, kicherte nicht, sang nicht. Sie brachte den
Duft von Jasmin mit sich und setzte sich einfach neben
ihn, ohne ihn zu berühren, und sie sah den Tag beginnen,
bis der östliche Horizont sich rot ränderte und eine liebliche Brise aufkam. Im selben Moment wurden sie eins,
vereinte er sich mit ihr, wie er sich nie zuvor mit einer
Frau vereint hatte; danach erhob sie sich mit unendlichem Taktgefühl und ging, während er allein auf die erste, liebevolle Berührung der Dämmerung wartete.
    Nein, sie war nicht schlecht für ihn, und er würde jedem
wi-dersprechen, der anderes behauptete. Er konnte an ihr
kein Übel erkennen, auch nicht an dem Mann, der sie zu
ihm brachte. Wie könnte ein solch abenteuerlicher Geist
verdammt sein? Qara Köz war eine Frau, wie er sie nie
zuvor kennengelernt hatte, eine Frau, die ihr eigenes Leben ohne Rücksicht auf Konventionen formte, allein
durch die Kraft ihres Willens, eine Frau wie eine Königin. Dies war sein neuer Traum, eine ungeträumte Vision
dessen, wie eine Frau sein konnte. Was er sah, erschreckte ihn, erregte ihn, berauschte ihn und nahm ihn gefangen. Ja, Qara Köz war außergewöhnlich, und das, davon
zeigte sich der Herrscher überzeugt, war auch Vespucci
oder Mogor dell’Amore. Der Herrscher hatte ihn auf die

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