Rushdie Salman
überzeugt, genau wie das
billige Bordell zu stinken, in dem er sich schließlich auch
aufhielt, und er bedauerte den Entschluss, um Skeletts
Hilfe gebeten zu haben, besaß aber die Rücksicht, sein
Bedauern zu verschweigen. Aus der kleinen Reisetasche
zog er ein kostbares Gewand, bei dessen Anblick Skelett
nach Luft schnappte. «Hast du dafür jemanden ermordet?
Oder bist du eigentlich doch ein anderer Mensch, als du
zu sein behauptest?», fragte sie. Er gab keine Antwort.
Wer auf der Straße wie ein Mann von Bedeutung aussah,
weckte nur das Interesse gewaltbereiter Menschen; am
Hofe wie ein Landstreicher auszusehen kam jedoch einer
Idiotie gänzlich anderer Art gleich. «Ich muss gehen»,
sagte er. «Komm wieder», bat sie. «Denk an das Angebot, das ich dir gemacht habe.»
Trotz der aufkommenden Hitze warf er sich seinen unvermeidlichen Mantel über und brach auf, um zu tun, was
er zu tun hatte. Wundersamerweise wehten Skeletts Düfte ihm voraus und ebneten den Weg. Statt ihn fortzuscheuchen und ihn anzuherrschen, dass er das Tor am
anderen Ende der Stadt zu nutzen habe, sich hinten anstellen und darauf warten müsse, in den Hof der öffentlichen Anhörung vorgelassen zu werden, gaben sich die
Wachen jede nur erdenkliche Mühe, ihm zu Diensten zu
sein, reckten dabei die schnuppernden Nasen, als lägen
gute Neuigkeiten in der Luft, und verzogen die Mienen
zu einem höchst ungewohnten Lächeln des Willkommens. Der Offizier des Wachhauses schickte einen Läufer nach einem königlichen Adjutanten aus, den es zunächst verärgerte, auf diese Weise gestört zu werden.
Doch kaum näherte er sich dem Besucher, änderte sich
der Luftzug, und ein neuer Geruch füllte die Luft, ein
Duft, dessen Finesse für die groben Nasen der Wachen
viel zu fein war, den Adjutanten aber plötzlich an seine
erste große Liebe erinnerte. Bereitwillig erbot er sich,
höchstpersönlich zu Birbals Haus zu gehen, um das Ansinnen des Fremden vorzutragen, und kehrte bald darauf
mit der Auskunft wieder, man habe alle nötigen Zustimmungen erteilt und er sei jetzt ermächtigt, den Besucher
in die Palastgemächer vorzulassen. Natürlich bat man
den Fremden zuvor um seinen Namen, und er antwortete,
ohne zu zögern.
«Nennt mich Mogor», sagte er in makellosem Persisch.
«Mo-gor dell’Amore, zu Diensten. Ein Gentleman aus
Florenz, gegenwärtig im Namen der englischen Königin
unterwegs.» Er trug eine weiße Feder am samtenen Hut,
die von einem senffarbenen Juwel gehalten wurde, und
zog nun schwungvoll ebendiesen Hut in einer tiefen Verbeugung, die jedem Zuschauer bewies (er hatte eine beträchtliche Menge angelockt, deren selig verträumte,
grinsende Gesichter wieder einmal den allgegenwärtigen
Einfluss von Skeletts Werk verrieten,, dass er Geschick,
Anstand und Anmut eines Höflings besaß. «Herr Botschafter», sagte der seinerseits sich verbeugende Adjutant. «Hier entlang, bitte.»
Nach und nach aber verflogen die früheren Düfte, und
ein drittes Aroma breitete sich aus, um die Luft mit Phantasien des Verlangens zu erfüllen. Auf seinem Weg durch
die rote Welt des Palastes fielen dem Mann, der sich nun
Mogor dell’ Amore nannte, flatterhafte Bewegungen hinter verhängten Fenstern und Gitterschirmen auf; er meinte gar, mehrere Paare schimmernder Mandelaugen im
Dunkel der Fenster wahrnehmen zu können. Einmal sah
er eine juwelenverzierte Hand eine unbestimmte Geste
machen, die womöglich eine Einladung bedeutete. Er
hatte Skelett unterschätzt. Auf ihre Weise war sie eine
Künstlerin, die es in dieser vielgerühmten Stadt der Maler, Dichter und Sänger mit jedem Meister seines Metiers
aufnehmen konnte. Wollen wir doch einmal sehen, was
sie für den Herrscher vorbereitet hat, dachte er. Ist der
Duft so verführerisch wie die bisherigen Gerüche, habe
ich leichtes Spiel. Fest umklammerte er die Schriftrolle
der Tudorkönigin und schritt nun mit wachsendem
Selbstvertrauen ein wenig rascher aus.
In der Mitte des Hauptraumes im Haus der privaten Anhörung stand ein roter Sandsteinbaum, von dem ein großes Bündel steinerner Bananen hing, zumindest wollte es
dem Blick des ungeschulten Besuchers so vorkommen.
Breite Äste aus rotem Sandstein verliefen vom Wipfel in
die vier Zimmerecken. Zwischen den Zweigen hingen
Baldachine aus silbern wie golden verzierter Seide, und
unter den Baldachinen und Bananen, mit dem Rücken an
den wuchtigen Stamm des Steinbaums gelehnt, stand der
furchterregendste Mensch auf Erden
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