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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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allsehenden Blick des Lieblingsministers seines
Herrschers gleichsam nackt dastand, weshalb ihn jetzt
nur noch die Wahrheit retten konnte - oder doch etwas,
das in gleicher Weise überzeugte.
«Als der Botschafter König Philipps von Spanien uns die
Ehre erwies», sinnierte Abul Fazl, «kam er mit großem
Gefolge und mit Geschenken schwer beladenen Elefanten, mit einundzwanzig Araberpferden aus bester Zucht
und vielen Juwelen. Jedenfalls traf er bestimmt nicht auf
einem Ochsenkarren ein und verbrachte die Nacht in einem Bordell mit einer Frau, die so dürr ist, dass sich
Zweifel aufdrängen, ob sie überhaupt eine Frau ist.»
    «Als wir in Surat vor Anker lagen, gesellte sich mein
Herr, Lord Hauksbank vom ürte gleichen Namens, bedauerlicher-weise zu den Heerscharen Gottes und der
Enge!», erwiderte der Neuankömmling. «Auf dem Totenbette aber bat er mich, jene Aufgabe zu erfüllen, die
ihm die Königin von England anvertraut hatte. Leider
gehörten zur Schiffsbelegschaft allerlei Rüpel und Unholde, die, noch ehe der Leichnam erkaltet war, Lord
Hauksbanks Quartier durchsuchten und an sich rissen,
was mein edler Herr einst an Wertsachen besaß. Ich gestehe heute daher freimütig, dass mich allein ein gnädiges
Geschick mit dem Leben und dem Brief der Königin entkommen ließ, denn als getreuem Diener meines Herrn
hätte man mir gewiss die Kehle durchgeschnitten, wäre
ich geblieben, um Lord Hauksbanks Hab und Gut zu verteidigen. Nun fürchte ich zwar, dass seine sterblichen
Überreste kein christliches Begräbnis erhalten werden,
doch bin ich stolz darauf, mich in Eurer großen Stadt
seiner Verantwortung entledigen zu können, die längst
die meine geworden ist.»
«Die Königin von England», meinte Abul Fazl nachdenklich, «ist meines Wissens keine Freundin unseres
Freundes, des illustren Königs von Spanien.»
«Spanien ist ein spießiger Schinder», improvisierte der
Fremde rasch, «England dagegen die Heimat von Kunst,
Schönheit und der Gloriana höchstpersönlich. Lasst Euch
von den Schönfärbereien Philipps des Langweiligen nicht
bezirzen. Gleich muss mit Gleich konferieren, und Elizabeth von England ist in Stil wie Größe das wahre Ebenbild einer Herrscherin.» Langsam erwärmte er sich für
sein Thema und erklärte, die ferne, rothaarige Königin
sei nichts und niemand anders als das westliche Spiegelbild des Herrschers, sie sei Akbar in weiblicher Gestalt,
und er, der Shahanshah, der König der Könige, könne die
Schnauzbart tragende, unjungfräuliche Elizabeth des Ostens genannt werden, denn dem Wesen nach seien sich
beide an Größe gleich.
Abul Fazl erstarrte. «Ihr wagt es, meinen Herrn auf eine
Stufe mit einer Frau zu stellen», sagte er leise. «Nur gut,
dass Ihr tatsächlich eine Schriftrolle in Händen haltet,
die, wie ich sehe, das echte Siegel der Krone Englands
trägt und uns somit verpflichtet, Euch sicheres Geleit zu
gewähren. Andernfalls hättet Ihr es dank einer derartigen
Unverschämtheit nämlich verdient, dem wilden Elefanten
vorgeworfen zu werden, der, auf nahem Rasen angekettet, nur darauf wartet, uns von unerträglichen Schweinen
zu befreien.»
«Euer Herrscher ist in der ganzen Welt für seine großherzige Aufgeschlossenheit gegenüber Frauen berühmt}},
sagte Mogor dell’Amore. «Da wird es ihn als Juwel des
Ostens sicher nicht beleidigen, wenn er mit einem anderen großen Juwel verglichen wird, welchen Geschlechts
dieses Geschmeide auch immer sein mag.}}
«Die Weisen aus Nazareth, von den Portugiesen Goas an
diesen Hof geschickt, haben nichts Gutes über Euer Juwel zu berichten.» Abul Fazl zuckte die Achseln. «Sie
behaupten, Elizabeth sei gegen Gott, eine schwächliche
Königin, die gewiss bald vom Thron gefegt werden wird.
Sie sagen, Elizabeth herrsche über ein Volk von Dieben,
und Ihr seid vermutlich ein Spion.»
«Die Portugiesen sind Piraten”, erwiderte Mogor
dell’Amore, «Schurken und Freibeuter. Kein weiser
Mensch sollte ihnen trauen.»
«Pater Acquaviva von der Gesellschaft Jesu ist Italiener
wie Ihr selber», gab Abul Fazl zurück, «und sein Reisegefährte, Pater Monserrate, kommt aus Spanien.
    «Wenn sie unter der unflätigen Flagge Portugals segeln», be-harrte der Fremde, «sind aus ihnen längst portugiesische Hunde geworden.»
An einer Stelle über ihren Köpfen brandete lautes Gelächter auf, als ob ein Gott sich über sie lustig machte.
    «Habt Erbarmen, großer Lehrer», donnerte eine gewaltige Stimme.

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