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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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auf Erden (ohne Ausnahme, seine
Bedenken beiseite.
«Der Brief ist so charmant wie sein Überbringer», sagte
Akbar. «Führt ihn morgen in meine Privatgemächer, auf
dass wir uns ausführlicher unterhalten können.» Die Audienz war zu Ende.
    Die plötzliche Vernarrtheit des Herrschers Zelabdim
Echebar in sein weibliches Pendant, die Königin Zelabat
Giloriana die Erste, brachte einen Strom von Briefen hervor, die von eigens ernannten königlichen Kurieren nach
England gebracht und nie beantwortet wurden. Diese
rhapsodischen, von des Herrschers eigener Hand verfassten Episteln waren von einer Gefühlsintensität und sexuellen Freizügigkeit des Ausdrucks, die im Europa (und
auch im Asien, jener Zeit ihresgleichen suchte. Viele
Briefe kamen nicht an ihr Ziel, da den Kurieren unterwegs aufgelauert wurde, sodass die abgefangenen Herzensergüsse von Kabul bis Calais für manch Amüsement
bei den Adeligen und Prinzen sorgten, ergötzten sie sich
doch köstlich an den verstiegenen Erklärungen unsterblicher Zuneigung des Herrschers über ganz Indien für eine
Frau, die er selbst nie getroffen hatte, aber auch an seinen
megalomanischen Phantasien, ein gemeinsames Weltreich zu schaffen, das die östliche mit der westlichen
Hemisphäre vereinen sollte. Jene Briefe aber, die tatsächlich bis in den Palast von Whitehall vordrangen, wurden
als Fälschungen oder das Werk eines pseudonymen Irren
abgetan, mit deren Überbringern man kurzen Prozess
machte, weshalb viele Boten wie zur Belohnung für ihre
lange und gefahrvolle Reise im Kerker landeten. Schließlich wurde ihnen schlicht der Zugang zum Palast verwehrt, und jene, denen es gelang, quer durch die halbe
Welt nach Fatehpur Sikri zurückzuhumpeln, kehrten mit
verbitterten Worten heim. «Diese Königin ist Jungfrau,
weil kein Mann auf Erden mit solch kaltem Fisch das
Bett teilen will!», berichteten sie, und nach einem Jahr
und einem Tag erlosch Akbars Liebe so rasch und geheimnisvoll, wie sie aufgeflammt war, womöglich auch
deshalb, weil indessen seine Königinnen aufbegehrten,
sich ausnahmsweise mit seiner nichtexistenten Geliebten
verbündeten und damit drohten, ihm jegliche Gunst zu
verweigern, sollte er nicht aufhören, launige Liebesbriefe
an jene Engländerin zu senden, deren Schweigen - nachdem ihre anfänglichen Schmeicheleien das Interesse des
Herrschers erregt hatten - ebenso Beleg für ihren Wankelmut war wie für die blanke Sinnlosigkeit, eine solch
fremde und wenig anziehende Person auch nur verstehen
zu wollen, vor allem, da sich doch in größter Nähe so
viele weitaus liebreizendere und begehrenswertere Damen fanden.
Am Ende seiner langen Regentschaft, viele Jahre nach
dem Ende der Tage des Scharlatans Mogor dell’Amore,
erinnerte sich der alte Herrscher wehmütig an jene seltsame Affäre, die von einem Brief der Königin von England ausgelöst worden war; und er bat darum, dies
Schriftstück noch einmal zu sehen. Als es ihm gebracht
und von einem anderen Sprachkundigen übersetzt wurde,
schienen viele der ursprünglichen Worte verschwunden
zu sein. Im verbliebenen Text fand sich keinerlei Hinweis
auf die eigene oder des Papstes Unfehlbarkeit; auch war
darin keine Rede von einem Bündnis gegen gemeinsame
Feinde. Eigentlich handelte es sich bei dem Schreiben
sogar nur um die simple, von den üblichen Respektbezeigungen untermalte Bitte um gute Handelsbedingungen
für englische Kaufleute. Als der Herrscher derart die
Wahrheit erfuhr, wurde ihm aufs Neue bewusst, welch
tollkühner Zauberer ihm an jenem lange vergangenen
Morgen nach dem Traum von der Krähe begegnet war.
Nur nützte ihm dieses Wissen nichts mehr, erinnerte es
ihn doch höchstens an das, was er niemals hätte vergessen dürfen: dass nämlich Magie keinerlei betörender
Tränke bedarf, keiner Dämonen oder Zauberstäbe. Worte, die von beredter Zunge vorgebracht werden, sind des
Zaubers genug.
6.
     
6. Wird das Schwert der Zunge gezückt…
    Wird das Schwert der Zunge gezückt, dachte der Herrscher, schlägt es tiefere Wunden als die schärfste Klinge.
Hätte er dafür einen Beleg gesucht, er hätte ihn im Krieg
der Philosophen gefunden, der jeden Tag an ebendiesem
Ort ausgetragen wurde: im be-stickten, spiegelbehangenen Zelt des Neuen Kults. Hier herrschte ständiger Tumult, der Lärm der besten Denker seines Königreiches,
die mit Worten gar grässlich aufeinander eindroschen.
Akbar hatte den Schwur gehalten, den er an jenem Tag
ablegte, an dem er

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