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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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nicht bloß
ein Schwätzer, sondern auch ein Abenteurer. Ein Mann
der Vernunft, der im Namen der Vernunft unvernünftige
Risiken einging. Ein paradoxer Kerl, der Paradoxe
schmähte. Ein Spitzbube, der zumindest ebenso widersprüchlich war wie Prinz Salim - vielleicht ebenso widersprüchlich wie alle Menschen -, doch waren es Widersprüche, an denen sich der Herrscher erfreute. Konnte er
diesem Mogor sein Herz öffnen und ihm erzählen, was er
noch nie in Worte gefasst hatte, was er nicht einmal
Bhakti Ram Jain gesagt hatte, dem tauben Schmeichler,
oder Birbal, diesem Schlauberger, Abul Fazl, dem Allwissenden? War dies endlich jemand, der sein Vertrauter
werden konnte? Denn es gab so vieles, worüber er reden
wollte, Themen, die nicht einmal Abul Fazl oder Birbal
gänzlich verstehen würden, Fragen, die er nicht einmal in
die offene Debatte im Zelt des neuen Kults zu werfen
wagte. Warum, so wollte er zum Beispiel erkunden, sollte man an einer Religion nicht allein ihrer Wahrheit wegen festhalten, sondern vor allem, weil sie von den Vätern überliefert worden war? War der Glaube kein Glaube, sondern bloß vertraute Gewohnheit? Vielleicht gab es
gar keine wahre Religion, sondern nur dieses ewige Weiterreichen. Dann aber könnten Irrtümer ebenso gut weitergereicht werden wie Tugenden. War der Glaube nichts
anderes als ein Irrtum unserer Vorfahren?
Vielleicht gab es keine wahre Religion. Ja, das zu denken
hatte er sich gestattet. Er wollte jemandem von seinem
Verdacht erzählen können, dass die Menschen sich ihre
eigenen Götter geschaffen hatten, so und nicht andersherum. Er wollte sagen können, dass der Mensch im Mittelpunkt der Dinge stand, nicht Gott, der Mensch im
Zentrum, unten wie oben, vom wie hinten und an den
Seiten; der Mensch ist Engel und Teufel, Wunder und
Sünde, der Mensch, immer wieder der Mensch, und lasset uns hinfort nur noch Tempel bauen, die der Menschheit gewidmet sind. Das war sein unaussprechlichster
Wunsch: die Religion des Menschen zu gründen. Im Zelt
des neuen Kults beschimpften sich die Weinanhänger
und Wassertrinker als Häretiker und Narren. Der Herrscher wollte bekennen, wie enttäuscht er insgeheim von
allen Mystikern und Philosophen war. Er wollte die Streitigkeiten beiseitefegen, Jahrhunderte der Erbschaft und
Reflexion, wollte dem Menschen gestatten, sich nackt
wie ein Baby auf den Himmelsthron zu setzen. (Wenn
der Mensch Gott geschaffen hatte, konnte er ihn auch
wieder abschaffen. Oder war es einer Schöpfung möglich, sich der Macht seines Schöpfers zu entziehen? Ließ
sich ein einmal geschaffener Gott nicht mehr zerstören?
Konnten solche Phantasmen eine Autonomie gegenüber
dem Willen erlangen, die sie unsterblich machte? Der
Herrscher wusste darauf keine Antworten, aber schon die
Fragen kamen ihm wie eine Antwort vor., Vermochten
Fremde zu begreifen, was seine Landsleute nicht begreifen konnten? Wenn er, Akbar, aus dem Kreis trat, konnte
er dann ohne seine tröstliche Kreisförmigkeit in der erschreckenden Fremdheit eines neuen Gedankens leben?
«Lasst uns gehen», sagte er seinem Gast. «Für einen Tag
haben wir genug großartige Gedanken vernommen.»
Die Hitze des Tages flimmerte über dem Palastkomplex,
und da sich eine Illusion gespenstischer Ruhe über die
Gebäude gelegt hatte, mussten die wahren Befindlichkeiten an Zeichen und Omen abgelesen werden. So hieß es,
wenn sich die tägliche Ladung Eis verzögerte, dass in
den Provinzen Unruhen ausgebrochen waren. Sollten
grüne Algen das klare Wasser des Anup Talao trüben,
des Besten aller Möglichen Becken, dann bedeutete dies,
dass am Hofe Verrat geschmiedet wurde. Und wenn der
Monarch den Palast verließ, um sich in seiner Sänfte an
den See Sikri tragen zu lassen, deutete dies darauf hin,
dass ihn Sorgen quälten. So lauteten die Wasservorzeichen. Es gab auch Vorzeichen der Luft, des Feuers und
der Erde, doch Wasserprophezeiungen waren die verlässlichsten. Wasser trug dem Regenten Wissen zu, es brachte ihm auf seinen Fluten die Wahrheit, und es besänftigte
ihn. In schmalen Kanälen und breiten Strömen ergoss es
sich durch die Höfe der Palastquartiere, umfloss sie und
kühlte von unten die Steingebäude. Zwar galt Wasser als
Symbol solch enthaltsamer Puritaner wie jener der Anhänger von Badaunis manqul-Partei, doch reichte des
Herrschers Beziehung zum lebenserhaltenden Nass tiefer
als die eines jeden religiösen Eiferers.
Für seine Waschungen brachte Bhakti Ram

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